Quelle: Unbekannt

Lynne Kettenmann hat sich auf die Suche nach den Wurzeln ihrer Familie begeben. Ihr Großeltern stammten beide aus Rohracker und wanderten kurz nach dem Ersten Weltkrieg nach Amerika aus.

RohrackerLynne Kettenmann war zum ersten Mal in Rohracker. Dennoch war es für die Amerikanerin wie der Besuch in der Heimat. „Meine Großmutter und mein Großvater stammen aus Rohracker. Beide verließen unabhängig voneinander wenige Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges ihren Heimatort Rohracker und suchten in den USA ihr Glück“, erzählt Kettenmann. Als Jugendliche und junge Frau hatte sie sich wenig für ihre Familiengeschichte interessiert. Aber nach dem Tod einer Tante und anhand einem gut sortierten Fotoarchiv, das ihre Großmutter aufbewahrt hatte, machte sich Lynne nun auf die Suche nach den Stuttgarter Wurzeln. Ihre Tochter Andrea und die Recherche im Internet brachten die New Yorkerin auf die Spuren ihrer Ahnen. Ihre Großmutter Frieda Ortlieb wurde 1899 in Rohracker geboren. Ihre Eltern waren Karl Ortlieb und Christina Bodenhöfer, die 1944 und 1943 starben. „Meine Großmutter wanderte 1924 nach Amerika aus“, erzählt die Enkelin. Ohne Englisch zu können, wagte die 25-Jährige alleine den Sprung über den Teich. Die Überfahrt per Schiff sei sicher ein Abenteuer gewesen. Wie Hunderte andere Auswanderer kam ihr Schiff mit den Deutschen in New York an. Dort konnte Ortlieb auf Unterstützung von weiteren Schwaben rechnen, die in den Jahren zuvor bereits etwas Fuß in der neuen Heimat gefasst hatten.

Dazu gehörte auch Frieda Ortliebs späterer Ehemann: Eugen Kettenmann. Er wurde 1901 geboren und emigrierte bereits im August 1921 aus Deutschland. Ihn führte seine Reise zunächst nach Argentinien. Zwei Jahre habe er wohl versucht, in Südamerika sich eine Existenz aufzubauen. 1923 zog es ihn aber doch in die Vereinigten Staaten. Auch Kettenmann ließ sich in der Umgebung von New York nieder. „Er war der beste Freund des Bruders meiner Großmutter. So fanden meine Großeltern zusammen und heirateten 1925.“ Ihr Sohn Kurt ist Lynnes Vater. „In der Region New York lebten mehrere ehemalige Stuttgarter, die sich untereinander unterstützten, sich regelmäßig trafen und deutsche Traditionen pflegten.“ Weihnachten und Ostern seien nach deutscher Sitte gefeiert worden, ihre Verwandten sprachen Deutsch miteinander, feierten eine Art Oktoberfest mit Blasmusik, Bier und Festzelt und von ihrer Großmutter erhielt Lynne einen gusseisernen Puppenherd, auf der sie als Kind mit der Oma schwäbische Speisen zubereiten konnte. „Es war eine in sich geschlossene Gemeinschaft. In den Ferien trafen sie sich jedes Jahr in einer Area bei New York, wo sie nur Deutsch sprachen“, erinnert sich Kettenmann an ihre „German Holidays“ als Jugendliche.

Jetzt, als Rentnerin, wollte sie zum ersten Mal in ihrem Leben die Orte erleben, von denen vor allem ihre Großmutter geschwärmt hatte und nach der diese sich nach dem Tod ihres Mannes zurückgesehnt hatte: Rohracker. Als digitale Zeugnisse hatte die Lynne Kettenmann Dutzende historische Fotos und einen Stammbaum, der bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht, mit im Gepäck. Über das Internet nahm sie zudem Kontakt mit Hedelfingens Ortschronist Michael Wießmeyer und mit Ilse Bodenhöfer-Frey auf.

Urgroßvaters Tante-Emma-Laden

Vergangene Woche trafen sich Lynne Kettenmann, deren Ehemann und die Tochter Andrea mit Ilse Bodenhöfer-Frey, deren Schwestern und Manfred Bodenhöfer in Rohracker. Trotz einiger Sprachprobleme verstanden sie sich sofort und tauschten Erinnerungen aus. „Ilse und die anderen Bodenhöfers haben auf unseren Fotos eigene Tanten, Onkel und Großeltern entdeckt, und sie konnten sich auch an den Lebensmittelladen meines Urgroßvater Karl Ortlieb in der Rohrackerstraße 234, wo heute ein Blumengeschäft ist, erinnern.“ Ihr Urgroß-Onkel Karl Kettenmann war Schuhmacher und lebte in der Rohrackerstraße 264. Zusammen mit Bodenhöfer-Frey lief Familie Kettenmann durch Rohracker, fotografierte die „Locations“ und genoss es, das Flair des Wengerterorts aufzusaugen. „Es war lovely. Es gibt so viele alte, aber schön hergerichtete Häuser. Ich verstehe jetzt, wieso meine Oma gerne zurückgekommen wäre“, sagt Lynne Kettenmann. Für sie selbst soll es nicht der letzte Besuch gewesen sein. „Ich werde in New York Ilses Stammbaum von den Bodenhöfers mit unserem abgleichen und auch mit Michael Wießmeyer in Kontakt bleiben und bald wiederkommen“, sagt sie. „Vielleicht melden sich ja auch noch weitere Rohrackerer mit Erinnerungen.“