Die bislang 20 Bezirksnotariate sind bald Geschichte. Am 31. Dezember dieses Jahres schließen sie ihre Pforten. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Alexander Müller

Am 31. Dezember dieses Jahres findet das offizielle Ende der Ära einer Institution statt: Laut der Landesreform machen alle staatlichen Notariatsstellen in Baden-Württemberg zu - auch die 20 Standorte in Stuttgart. Freiberufliche Kollegen übernehmen die Beurkundungen. Bereits komplett verlegt sind seit einigen Tagen die Grundbuchämter nach Waiblingen und Böblingen. Als Service hat die Verwaltung eine Einsichtsstelle beim Stadtmessungsamt geschaffen. Diese platzt aber bereits aus allen Nähten.

Sozusagen auf gepackten Kisten sitzt Wolfgang Pigorsch in seinem Büro in der Augsburger Straße. Die meiste Zeit ist der Untertürkheimer Amtsnotar damit beschäftigt, die letzten Schränke auszuräumen. Dabei finden sich auch kuriose Dinge wie Eierschalen in Hühnerform. „Keine Ahnung, woher diese stammen“, lacht Pigorsch. Doch die Großreinemacheaktion hat einen ersten Hintergrund. Bereits 2010 von der damaligen schwarz-gelben Landesregierung beschlossen, tritt die Notariatsreform in Baden-Württemberg nun zum 1. Januar 2018 in Kraft. Alle staatlichen Notariatsstellen werden geschlossen. So auch die 20 Standorte in Stuttgart. Derzeit „können wir nur noch die laufenden und Notfälle bearbeiten“, erklärt Pigorsch. Viele Kunden müssen vertröstet werden. „Alle bedauern das sehr“, sagt Pigorsch. Oftmals herrsche auch großes Unverständnis für die Entscheidung vor. Schließlich gehe damit nicht nur die örtliche Nähe, sondern vor allem auch die persönliche Beratung verloren, ist Pigorsch überzeugt. „Der Gang zum Notariat wird den Menschen in Zukunft schwerer fallen“ - auch weil er vermutlich teurer wird. Denn ab dem 1. Januar 2018 wird es in Unter- und Obertürkheim wie auch in den anderen Stadtbezirken keine Amtsnotare mehr geben.

Die Aufgaben als Nachlass- und Betreuungsrichter gehen an das Amtsgericht Bad Cannstatt über. Dahin wechselt als Sachbearbeiterin Ursula Hinrichs. Nach fast 30 Jahren in Untertürkheim ist sie die letzte von ehemals fünf Mitarbeitern. Für die Beurkundungen schafft das Land 246 neue Notarstellen an 120 Standorten. Dabei sind die Gebiete für die dann freiberuflich tätigen Notare fest vorgegeben. Eine Stelle in Untertürkheim ist nicht vorgesehen. Schließlich sollen die staatlich zugelassenen Notare ein genügend großes Gebiet erhalten, um von den Einnahmen Leben zu können und werden wohl auch Beratungskosten verlangen. Denn in Zukunft umfasst ihr Aufgabenfeld nur noch ein Drittel der bisherigen Aufgaben.

Das letzte Tätigkeitsfeld, die Führung der Grundbuchämter, wird zentralisiert. Für den Amtsgerichtsbezirk Bad Cannstatt inklusive der Oberen Neckarvororte, ist in Zukunft das Grundbuchamt Waiblingen zuständig, wohin auch Pigorsch wechselt. Für den Amtsgerichtsbezirk Stuttgart das Grundbuchamt Böblingen. „Im Oktober hat der Lastwagen die Akten abgeholt“, sagt Pigorsch. Diese werden im Grundbuchzentralarchiv in Kornwestheim gelagert.

5000 Grundbuchauszüge im Jahr

Mit Obertürkheim und Mühlhausen wurden vor wenigen Tagen die letzten der insgesamt 15 Standorte in Stuttgart geschlossen. Um den Bürgern aber lange Fahrten zu ersparen, hat die Stadt bereits seit Januar 2016 eine Grundbucheinsichtsstelle im Kundenzentrum des Stadtmessungsamtes in der Kronenstraße 20 eingerichtet. „Wir wussten um die neue Aufgabe“, sagt Amtsleiter Günter Siebers, „aber wir haben nicht damit gerechnet, was wirklich auf uns hereingebrochen ist.“ Alleine in diesem Jahr werden die Mitarbeiter mehr als 5000 Grundbuchauszüge ausstellen müssen. Die von der Verwaltung dafür geschaffene Stelle reicht bei weitem nicht mehr aus. Im aktuellen Haushaltsentwurf hat die Stadt daher eine weitere vorgesehen. „Der Bedarf ist groß“, weiß Mitarbeiter Werner Rabe. Schließlich sind aus den einstmals 677 Grundbuchämtern im Land lediglich noch 13 übrig geblieben. Im Zuge der digitalen Umstellung soll es in Zukunft auch möglich sein, Einblicke in alle Grundbücher der Kommunen in Baden-Württemberg zu bekommen. Der Kundenverkehr wird dadurch sicher nicht geringer.