Untertürkheim Autos rollen unaufhörlich vorbei, ein Motorradfahrer dreht röhrend am Gas, ein Brummifahrer hupt lautstark, die Stadtbahn biegt quietschend auf den Karl-Benz-Platz ein – und über dem alltäglichen Verkehrslärm schweben sanfte Töne von Wolfgang Amadeus Mozarts „Kleiner Nachtmusik“. Etwa 100 Menschen stehen vor der Bühne, auf der am Donnerstagnachmittag die Musiker des Stuttgarter Kammerorchesters ein kostenfreies Konzert unter freiem Himmel geben. Andächtig lauschen die Passanten dem virtuosen Spiel der 15 Streicher. Einige Zuhörer haben ihre Augen geschlossen, andere summen die Melodie der weltberühmten Serenade in G-Dur leise mit.

Christine Dudek und Gernot Zinkel sitzen auf ihren eigens mitgebrachten Camping-Klappstühlen. „Wir haben von Freunden von dieser Aktion erfahren“, erzählen die beiden, die extra aus Neckartailfingen nach Untertürkheim gekommen sind – auf dem Weg nach Zuffenhausen, wo sie jeden Donnerstag zum Volkstanz-Training gehen, haben sie einen kurzen Zwischenstopp eingelegt. „Nur um hier dabei zu sein.“ Nach Antonin Dvoraks Suite aus „Zypressen“ für Streichorchester stimmen die Musiker einen Walzer von Joseph Lanner („Die Romantiker“) an. Da hält es Dudek und Zinkel nicht mehr auf ihren Sitzen, sie drehen sich lächelnd im Kreis und scheinen die vielen Zuschauer um sich herum vergessen zu haben. Auch weiter hinten in der Menschentraube schwingt ein Paar vergnügt das Tanzbein. Weiter geht es mit Franz Liszts „Ungarischer Rhapsodie Nr. 2“ und der „Marche Miniature Viennoise“ von Fritz Kreisler.

Nach 40 Minuten packen die Musiker ihre Instrumente wieder zusammen – nicht ohne den aufrichtigen und dankbaren Applaus der Zuhörer. Gerne hätten einige von ihnen eine Zugabe gehört. Susanne von Gutzeit, die Erste Konzertmeisterin, muss die Klassikfans jedoch vertrösten und ermutigt sie zugleich: „Kommen sie doch in eines unserer Konzerte. Wir würden uns freuen.“

Das kostenlose Freiluftkonzert auf dem Karl-Benz-Platz fand im Rahmen von „Concerto mobile“ statt. Ziel der zur Spielzeit 2018/2019 ins Leben gerufenen Reihe ist es, jene Menschen anzusprechen, die aus unterschiedlichsten Gründen sonst keinen klassischen Konzertsaal aufsuchen – das Ensemble kommt zu ihnen, spielt auf zentralen Plätzen. Mit der Resonanz in Untertürkheim ist Susanne von Gutzeit sehr zufrieden. „Es ist großartig, dass so viele Leute gekommen sind.“ Auch in Wangen, wo das Kammerorchester am Donnerstagvormittag vor der Kelter musizierte, sei man auf ein positives Echo gestoßen. „Dafür, dass es kühl war und ein unangenehmer Wind wehte, waren recht viele Zuhörer da.“

Die Reihe wird heute, 6. September, mit Konzerten in Zuffenhausen (12 Uhr, Unterländer Straße sowie 15 Uhr, Bahnhofsvorplatz) und am 7. September in Botnang (14.30 Uhr, Marktplatz) fortgesetzt.