Die Zahl der Einsätze von Rettungswagen stieg allein in den vergangenen drei Jahren um 24 Prozent. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Wolfgang Jung

Stuttgart - Bei medizinischen Notfällen sind in Baden-Württemberg nach Untersuchungen des Südwestrundfunks (SWR) viele Gemeinden unterversorgt. Es dauere aufgrund weiter Wege zu lange, bis ein Rettungswagen diese Orte erreiche. Ist das Problem bekannt und kann es gelöst werden? Dazu einige Fragen und Antworten.

Sind tatsächlich Hunderte Gemeinden unterversorgt - unter anderem durch eine angeblich falsche Infrastruktur des Rettungsdienstes?

„Ja“, sagt Eduard Kehrberger von der Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Notärzte. Vorgaben hinsichtlich der Hilfsfrist würden in Baden-Württemberg seit vielen Jahren nicht erreicht. „Hierfür sind vor allem infrastrukturelle Defizite verantwortlich, zum Beispiel die ungünstige Lage von Rettungswachen und zu wenig Fahrzeuge.“

Nach Einschätzung von Sabine Zeller von der Johanniter-Unfall-Hilfe wird der Rettungsdienst immer mehr zum Auffangbecken der Probleme anderer Teilnehmer im Gesundheitswesen: „Der Rettungsdienst wird oft als Ersatz für den Hausarzt bei nicht lebensbedrohlichen Erkrankungen oder Verletzungen gerufen.“

Nicht immer schaffen Rettungsdienste oder Notärzte die von der Politik gewünschten Fristen. Was sind die Gründe dafür?

„Hauptgrund ist die kontinuierliche Zunahme. Die Zahl der Einsätze von Rettungswagen stieg allein in den vergangenen drei Jahren um 24 Prozent“, sagt Udo Bangerter vom Deutschen Roten Kreuz. Zwar würden zusätzliche Fahrzeuge und mehr Personal beschlossen. „Doch reicht diese Kapazität kaum aus. Hinzu kommt, dass die Wege zu den Krankenhäusern immer weiter werden.“

Sabine Zeller zufolge hängt das Erfüllen der Frist von regionalen Gegebenheiten ab. Für die Qualität des Rettungsdienstes sei aber ebenso relevant, wann der Patient eine geeignete Klinik erreicht. „Hier sind 60 Minuten die Vorgabe - wir erreichen das Krankenhaus im Durchschnitt in rund 45 Minuten.“

Oft ist von einer angespannten Lage bei Fachpersonal zu hören. Wie lässt sich diese Situation verbessern?

„Wenn ich einmal verunglücken sollte, dann hoffentlich in Baden-Württemberg“, sagt Staatssekretär Martin Jäger. „Die Menschen können sich auf einen hochqualifizierten und professionellen Rettungsdienst verlassen.“ Kehrberger von der Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Notärzte betont, der Rettungsdienst sei körperlich wie mental anstrengend und verantwortungsvoll. Die Rahmenbedingungen seien dagegen oft unattraktiv, „angefangen von mangelnden Berufsperspektiven bis zu einer erschreckend schlechten Bezahlung“.

Oft klingt es so, als sei die Selbstverwaltung des Rettungsdienstes Teil des Problems und nicht Teil der Lösung. Täuscht der Eindruck?

Das Gegenteil sei der Fall, sagt Bangerter vom Roten Kreuz. „Die Selbstverwaltung hat gerade in den vergangenen Jahren bewiesen, dass sie handlungsfähig ist.“ Als Beispiel nennt er eine Alarmierung, mit der ein Fahrzeug schnell zum Einsatzort geleitet werden kann. Auch Zeller von der Johanniter-Unfall-Hilfe meint: „In den vergangenen 40 Jahren war die rettungsdienstliche Entwicklung in Baden-Württemberg beispiellos erfolgreich.“

Kehrberger sieht das jedoch anders. „Das System der Selbstverwaltung hat es über weit mehr als zehn Jahre nicht geschafft, die Vorgaben des Rettungsdienstgesetzes auch nur einigermaßen umzusetzen, und ist wohl als gescheitert zu betrachten.“

Die Diskussion dreht sich oft um Fristen, ist das der einzige Aspekt?

„Es geht letztlich um Menschenleben und Patientenschicksale. Der vielzitierte Begriff der Wirtschaftlichkeit im Rettungsdienst ist ein Unwort“, sagt Bangerter vom Roten Kreuz. Sicherheit für die Bürger könne nicht primär unter finanziellen Aspekten betrachtet werden. „Unser Rettungswesen ist sehr leistungsfähig: Das beginnt beim Eingang des Notrufs und endet mit dem Transport in das richtige Krankenhaus“, betont Staatssekretär Jäger. Baden-Württemberg brauche keinen Vergleich mit einem anderen Bundesland zu scheuen. „Das Rettungswesen zählt zu den besten in Deutschland.“