Besucher des Internationalen Trickfilmfestivals sitzen vor einem Großbildschirm auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Foto: dpa - dpa

Stuttgart? Da fällt einem zuerst mal das Automobil ein. Feinstaub dann auch und eine riesige Baustelle am Bahnhof. Und weiter? Der Trickfilm schickt sich an, auf dieser Liste nach oben zu klettern. Bester Beweis: das 25. Internationale Trickfilmfestival.

Stuttgart (dpa/lsw) Die untergehende Sonne im Rücken. Vielleicht ein Radler in der Hand. Die Chipstüte auf den Knien. Und der Blick Richtung Megaleinwand. Richtung kunterbuntem Trickfilm vor wahrlich malerischer Kulisse mit zwei Schlössern. Tausende werden diese Atmosphäre genießen, wenn die Schwabenmetropole von Dienstag an wieder für sechs Tage und fünf Nächte zum - tatsächlich - weltweiten Zentrum des Animationsfilms wird. Das 25. Internationale Trickfilmfestival steht an. Stuttgarter lieben es - immer mehr.

Das Open-Air-Kino lockt die Massen. Das Festival ist aber sehr viel mehr als dieses Happening mit Radler und Chips in Stuttgarts guter Stube. Bei den Wettbewerben mit Preisgeld von 100 000 Euro verzaubert das «Who is Who» der weltweiten Animationsszene die Zuschauer. In Kombination mit dem Animation Production Day und dem Branchentreffen FMX gilt das Festival als europaweit wichtigste Plattform zur Finanzierung und Entwicklung von Animationsprojekten.

Es sind keine riesigen Summen, die da umgesetzt werden, oder riesige Betriebe, die entstehen - aber in Stuttgart mit der Hochschule der Medien und rund um die Filmakademie Ludwigsburg blüht was auf. Das Land und seine Filmfördergesellschaft MFG stecken mehr als jeden dritten Euro ihrer Produktionsförderung in den Bereich Animation und visuelle Effekte. Zwölf Millionen Euro fließen insgesamt Jahr für Jahr als reiner Zuschuss direkt an die Studios. «Das ist ein sehr stark wachsender Markt - auch in viele andere Branchen hinein», sagt MFG-Geschäftsführer Professor Carl Bergengruen. Hausbau, Autokauf, vieles andere funktioniere bald nur noch mit visuellen Effekten.

Bergengruen ist überzeugt, dass Deutschlands beste Köpfe dafür im Südwesten bestens aufgehoben sind: «Diese Kombination von Kreativität und Entwicklergeist passt sehr gut zu Baden-Württemberg.» Ein Ende der Entwicklung sei nicht abzusehen: In Hollywood werde schon jede Szene nachbearbeitet. «Ich gehe davon aus, dass auch bei deutschen fiktionalen Fernsehfilmen wie dem Tatort in der Zukunft noch mehr Effekte eingesetzt werden.» Der sparsame Schwabe ist jedoch fehl am Platze: «Visuelle Effekte im Film sind teuer, weil jede einzelne Einstellung aufwendig bearbeitet werden muss.» Der Einsatz von Effekten mache einen Film nicht billiger aber visuell ansprechender.

Der Erfolg der deutschen Trickfilmer ist schwer zu fassen oder gar zu belegen. Mariette Rissenbeek, Geschäftsführerin von German Films als Auslandsvertretung des Deutschen Films weiß: «Es ist seit einigen Jahren zu beobachten, dass immer mehr deutsche Animationsfilme in viele Länder weltweit verkauft werden und an den internationalen Kinokassen sehr erfolgreich sind, nicht zuletzt wegen der hohen Qualität der Produktionen.»

Rissenbeek nennt den Film «Happy Family», der vergangenes Jahr in sage und schreibe 36 Ländern ins Kino gekommen ist und außerhalb von Deutschland, Österreich und der Schweiz an den Theaterkassen rund 15 Millionen Euro eingespielt hat. Allein in Mexiko sei er von über 1,2 Millionen Zuschauern gesehen worden. Ähnlich erfolgreich war der Streifen «Überflieger – Kleine Vögel, großes Geklapper» mit über 10 Millionen Euro und Kinostarts in 44 Ländern. Neue, vielversprechende Projekte stünden in den Startlöchern, etwa «Luis und die Aliens».

Hohes technisches Innovationspotenzial, lieber im Hintergrund wirkende Künstler, dazu verschmitzter Humor - auch Ulrich Wegenast, der künstlerische Geschäftsführer des Trickfilmfestivals, findet, dass das Ganze sehr gut hierher passt. «Sehr weitsichtige Menschen» wie der ehemalige Ministerpräsident Lothar Späth hätten in den 1980er Jahren etwas gewagt, das sich jetzt auszahle. Das Festival wurde 1982 von Professor Albrecht Ade als «1. Internationale Trickfilmtage Stuttgart» ins Leben gerufen, fand anfangs alle zwei Jahre statt.

Der Trickfilm ist das Zugpferd. 90 000 Zuschauer kamen in den letzten Jahren - vor allem natürlich zum Open-Air. Die Dynamik liege jedoch woanders: bei Games und Virtual Reality, die beim Festival immer mehr Raum greifen. Nichtsdestotrotz versteht Wegenast eins immer noch nicht: Warum gibt es beim Deutschen Filmpreis keine Kategorie Trickfilm? Nach wie vor werde die boomende und erfolgreiche Branche daheim nicht ausreichend gewürdigt, meint er. Und das, obwohl sie Weltgeltung erlangt habe. Für eine eigene Kategorie beim Filmpreis brauche man aber «offenbar ganz, ganz viel Geduld».