Blumen, Kerzen und Kuscheltiere liegen vor dem Haus, in dem drei Menschen erschossen wurden. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Julia Giertz

Villingendorf - Das lächelnde Gesicht eines Jungen umfasst von einem Paar Hände - die Fotomontage sowie Kerzen, Blumen und Kuscheltiere auf dem Rasenstück vor dem Einfamilienhaus in Villingendorf erinnern an den Sechsjährigen, der vor wenigen Tagen allem Anschein nach von seinem Vater abrupt aus dem Leben gerissen wurde. Der Mann ist seit Dienstag gefasst, nicht in Kroatien, wie manche es erwartet hatten, sondern in einem zu Rottweil gehörenden Dorf unweit des Tatortes. Die Flucht des Mannes, der neben seinem Sohn den Lebenspartner seiner Ex-Frau und dessen Cousine erschossen haben soll, hat in Villingendorf mit seinen rund 3500 Einwohnern eine diffuse Angst ausgelöst. Bürgermeister Karl-Heinz Bucher (CDU) sagt: „Das zehrte mehr und mehr an den Nerven.“ Deshalb seien ihm „ganze Steinbrüche vom Herzen gefallen“, als die Polizei ihn benachrichtigt hatte: „Wir haben ihn.“ Eine Verkäuferin in der Bäckerei neben dem Rathaus kann jetzt ebenfalls aufatmen. „Ich hatte schon ein bissle Angst.“ Der Mann sei ja auf der Flucht noch bewaffnet gewesen. „Und man wusste nicht, wo er ist.“

Der Rathauschef spricht auch von großer Erleichterung bei der Elternversammlung der örtlichen Grundschule am Dienstagabend. Dort konnte die Polizei die gute Nachricht verkünden. Die mehr als 100 Mütter und Väter hätten den Fahndungserfolg mit lang anhaltendem Applaus honoriert. Das erschossene Kind war gerade in die Schule aufgenommen worden. Es erlebte seinen ersten offiziellen Schultag nicht mehr. Der Vater setzte der von seiner überlebenden Ex-Partnerin organisierten privaten Feier am Donnerstagabend vergangener Woche ein blutiges Ende. Der Leitende Oberstaatsanwalt Joachim Dittrich sagte, die Hypothese, dass der Mann seine Ex-Frau möglicherweise absichtlich nicht tötete, um ihr durch den Verlust des Sohnes lebenslanges Leid zuzufügen, werde geprüft.

Die Polizei sei über sich hinausgewachsen, meint Bürgermeister Bucher. Nicht Spezialkräfte, sondern zwei Streifenpolizisten fassten den gesuchten Mann nach Hinweisen aus der Bevölkerung in dem Rottweiler Teilort Neufra. In der von Villingendorf nur 13 Kilometer entfernten 1100-Seelen-Gemeinde klickten die Handschellen. Die fünftägige Flucht des international gesuchten Kroaten endete in einer Wohngegend. Kein Tropfen Blut floss mehr, obwohl der 40-Jährige das wohl für die Tat genutzte Gewehr bei sich trug.

Dass die Polizei den völlig durchnässten und erschöpften Mann unter einem Baum stehend fassen konnte, hat sie zwei Hinweisgebern zu verdanken. Einer der beiden verfolgte den Verdächtigen demnach noch mit dem Auto, um den Beamten den genauen Standort melden zu können. Um 16.13 Uhr ging der entscheidende Anruf bei der Polizei ein. Um 16.35 Uhr war die Festnahme bereits erfolgt. Die Staatsanwaltschaft prüft, inwieweit sie die Aufmerksamkeit der beiden mit der ausgesetzten Belohnung von bis zu 5000 Euro honoriert.

Ein Ehepaar aus Neufra zeigt sich bestürzt, dass ein mutmaßlicher Todesschütze in ihrem friedlichen Dorf dingfest gemacht wurde. „Für mich war das beängstigend“, sagt die Frau. „Man weiß ja nie, wie jemand tickt.“ Ein anderer Passant wundert sich, dass der Kroate nicht untergetaucht ist. Den eigenen Sohn umbringen - „sowas macht man doch nicht“, empört sich der alte Herr. An den getöteten Erstklässler und die beiden anderen Opfer soll in Kürze mit einer Gedenkfeier in der Grundschule erinnert werden. Dabei soll für den Jungen auch eine Kastanie gepflanzt werden, weiß Bucher - „nicht nur als Zeichen der Trauer, aber auch der Zuversicht, mit der man diese Trauer bewältigen kann“.