Ein Fastnachtswagen Foto: dpa - Symbolbild: dpa

Bei einem Fastnachtsumzug fällt eine Frau von einem Narrenwagen und stirbt. Nun müssen sich Halter und Fahrer des Gefährts vor Gericht verantworten. Der Wagen war jahrelang nicht beim TÜV.

Balingen/Geislingen (dpa/lsw) «Und dann ist die Maren einfach rausgefallen», presst eine 30 Jahre alte Zeugin unter Tränen am Dienstagmorgen im Verhandlungssaal des Amtsgerichts in Balingen (Zollernalbkreis) hervor. Maren, das war ihre Vereinskameradin von der Musikkapelle. Gemeinsam mit anderen Musikern seien die beiden am Nachmittag des 31. Januar 2016 auf die «Black Pearl» gestiegen, einen zum Piratenschiff umgebauten Anhänger, der von einem Schlepper gezogen wurde. Maren E. stürzte hinab und kam dabei ums Leben.

Seit Dienstag müssen sich der Halter und der Fahrer des Gefährts, 49 und 70 Jahre alt, wegen fahrlässiger Körperverletzung verantworten. Staatsanwältin Kristina Selig wirft ihnen vor, den unsicheren Zustand des Gefährts missachtet zu haben: «Das Holz der Verkleidung war derart mürbe und verfault, dass der geringste Druck ausreichte, um die Platten durchbrechen zu lassen», sagt sie.

Nach dem Ende des Fasnetsumzugs in Geislingen am Fuß der Schwäbischen Alb hatten die Musiker auf dem Wagen zurück in den Ortskern fahren wollen. Oben hätten sie auf ihren Instrumenten zu spielen begonnen, erzählt die Zeugin. Alle seien stehen geblieben. Nur Maren E. nicht. Sie habe sich hingesetzt. Auf einmal sei sie nach hinten weggekippt. Ein Vereinskollege sagt später im Zeugenstand: «Ich habe nur die Füße nach oben gehen sehen.»

Nach den Ermittlungen der Polizei hatte sich die damals 32 Jahre alte Frau an die Bugverkleidung des «Schiffs» gelehnt. Diese brach heraus. Die Frau fiel rücklings und kopfüber aus dem Wagen und wurde mehr als acht Meter mitgeschleift. Sie starb noch am Unfallort an ihren schweren Kopfverletzungen.

Den Anhänger haben die Mitglieder der Grosselfinger Narrengruppe der «Piraten» gemeinsam zum Schiff umgebaut, wie der angeklagte Halter schildert. 2010 habe er das Gefährt dem TÜV vorgeführt, seitdem habe die Gruppe damit an Umzügen teilgenommen. Laut Anklage hätte das Schiff jährlich beim TÜV vorgeführt und es hätte vor jedem Einsatz eine Einzelgenehmigung von der Straßenverkehrsbehörde eingeholt werden müssen - was nicht erfolgt sei. Der Fahrzeughalter, Kfz-Mechaniker und Geschäftsführer eines Autohauses, gab an, auf ersteres vom TÜV nicht hingewiesen worden zu sein - und letzteres «verschlafen» zu haben.

Das TÜV-Gutachten verbietet es auch, auf An- und Abfahrtswegen zu Veranstaltungen Menschen auf dem Anhänger zu transportieren. Der Fahrer, ebenfalls Kfz-Mechaniker, sagt, dass er von dieser Vorschrift nichts gewusst habe. Er ist nach eigenen Angaben kein Mitglied der «Piraten», lenkte ihr Schiff aber mehrfach bei Fastnachtsumzügen. Eine Einweisung in Vorschriften, die es dabei zu beachten gelte, habe er nicht bekommen. Dass in Geislingen Musiker zugestiegen seien habe er nicht bemerkt - er könne das Schiff von seinem Schlepper aus nicht ganz einsehen.

Der Prozess sollte bereits im November 2017 starten, musste aber vertagt werden. Der Verteidiger des angeklagten Fahrers stellte damals erfolgreich einen Befangenheitsantrag gegen die Richterin, wiel sie sich vorab in einem Zeitungsartikel zur Schuldfrage geäußert haben soll. «Das kommt einer Vorverurteilung gleich», sagte der Verteidiger. Die Richterin wies damals den Vorwurf zurück und sagte, sie sei falsch zitiert worden. Den Männern droht eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.