FDP-Chef Theurer. Foto: dpa - dpa

Die FDP im Ländle liebäugelt zwar mit einer grün-gelben Koalition. Gleichzeitig drischt Landeschef Theurer aber ordentlich auf die Grünen ein. Er bemängelt einen «Überbietungswettbewerb der Verbote». Die Grünen wehren sich.

Stuttgart (dpa/lsw) FDP-Landeschef Michael Theurer wirft den Grünen eine dirigistische Politik vor - und warnt eindringlich vor einer Öko-Diktatur in Deutschland. Die öffentliche Debatte werde von einem «Überbietungswettbewerb der Verbote» dominiert, sagte Theurer der Deutschen Presse-Agentur etwa mit Blick auf aktuelle Debatten über Fleischpreise, Fahr- oder Flugverbote. «Wenn der Staat so dirigistisch, so autoritär, vor allen Dingen auch so kleinteilig in die individuellen Lebensentwürfe der Menschen eingreift, braucht man sich am Ende nicht wundern, wenn man in einer Ökodiktatur aufwacht.»

«Ein Verbotsvorschlag jagt ja den nächsten», kritisierte Theurer. «Das ist ja die Sommerpause der Verbotsforderungen.»

Dagegen hält der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) Verbote nicht für grundsätzlich falsch: «Ich bin nicht jemand der sagt, dass Verbote nichts taugen», sagte er der dpa. «Es kommt darauf an, wo man was verbietet.» Den Grünen werde immer angehängt, sie seien die Verbots- oder Gebotspartei. «Das ist ein völliger Unsinn», sagte Untersteller. «Die meisten Verbote wurden in Zeiten der CDU gemacht und haben meistens auch ihren Sinn.»

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte vor kurzem in einem dpa-Gespräch davor gewarnt, den Menschen zu viel zu verbieten. «Ich halt von dieser ganzen Moralisiererei wenig», hatte er gesagt.

Theurer, der auch Bundestagsfraktionsvize der FPD ist, entgegnete nun: «Wenn Herr Kretschmann seine Kritik an der Moralisierung ernst nimmt, müsste er seinen Verkehrsminister Winfried Hermann entlassen.» Der führe nämlich dirigistische Politik aus, sagte Theurer mit Blick auf Dieselfahrverbote.

Theurer hat angesichts der konjunkturellen Eintrübung nach eigenen Worten Sorge um den Zuliefererstandort Baden-Württemberg. Die Neuzugänge bei Aufträgen seien stark rückgängig. «Die Kaffeekränzchen des Ministerpräsidenten reichen nicht aus. Wir brauchen harte Industriepolitik», forderte er. Umweltminister Franz Untersteller und Verkehrsminister Hermann stellten hingegen «klammheimlich die Weichen in eine Richtung, die am Ende zur De-Industrialisierung führen». Während Kretschmann sich moderat äußere, hätten die beiden Minister sehr dirigistische Vorstellungen.

Theurer kritisierte zudem eine «Dämonisierung» der Automobilindustrie. «Das Bashing der Autoindustrie muss aufhören», sagte er. «Wer die Autoindustrie verteufelt, sägt den Ast ab auf dem man sitzt.» Das Klima sei in den anderen Hauptstädten der Welt nicht das Topthema Nr. 1. In Washington sei das Topthema etwa der Handelskrieg mit China. Nicht Industrie und Wirtschaft seien der «Klimakiller Nr. 1», sondern der massenhafte Konsum von Millionen Menschen, die ihr Verhalten ändern müssten. Die unbequeme Frage nach der Eigenverantwortung müsse man stellen.

Theurer plädiert für eine flächendeckende Ausweitung des Emissionshandels, auch auf die Bereiche Verkehr und Wärme im Kampf gegen den Klimawandel. «Diejenigen die glauben, dass Klimaschutz wichtiger ist als Arbeitsplätze und die wirtschaftliche Zukunft dieses Landes sind begründungspflichtig, wie sie den Wohlstand dieses Landes weit über dem Durchschnitt der Welt in Zukunft sichern wollen.» Es müsse eine Abwägung geben zwischen Klimaschutz und Arbeitsplätze. Die Politik müsse Instrumente wählen, die die Freiheitsrechte der Gesellschaft bewahren - «unter der Nebenbedingung, dass das Klima geschützt wird».

Trotz harscher Kritik am «grünen Mainstream» hatte sich Theurer zuletzt offen für eine grün-gelbe Koalition in Baden-Württemberg ab 2021 gezeigt. «Wir brauchen im Land Baden-Württemberg und in Berlin eine Reformkoalition», hatte er gesagt. Im Südwesten sehe er dafür eine Chance - allerdings nur unter der Voraussetzung der Technologieoffenheit bei der Entwicklung klimafreundlicher Antriebe. 2016 noch hatte die FDP etwa eine «Ampel» mit Grünen und SPD klar abgelehnt. Der nächste Landtag wird im Frühjahr 2021 gewählt.

Theurer ist seit 2013 Vorsitzender der baden-württembergischen Liberalen. Beim FDP-Parteitag Mitte Juli in Heilbronn wurde er mit 89,2 Prozent im Amt bestätigt. Damals hatte er gefordert, dass die FDP in der Klimapolitik sichtbarer werden müsse. «Wir dringen damit noch nicht genug durch.»