Markus Lüpertz sieht sich als „Ur-Karlsruher“. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Susanne Kupke

Karlsruhe - Von der lärmenden Großbaustelle zum Gesamtkunstwerk: Geht es nach einer privaten Initiative, haben die Karlsruher in vier Jahren nicht nur eine schöne neue U-Bahn, sondern auch eine Kunstmeile im Untergrund, die 365 Tage im Jahr geöffnet ist und bundesweit Publikum anziehen könnte. Markus Lüpertz, einer der prominentesten deutschen Gegenwartskünstler, will sieben unterirdische Haltestellen in der City mit 14 großformatigen Keramiktafeln bestücken. Eine Art Geschenk des exzentrischen Malerfürsten für die Stadt, in der seine Kinder groß geworden sind. Klingt super. Doch nicht alle sind überzeugt. Morgen entscheidet der Gemeinderat über das Projekt.

„Es geht hier für Karlsruhe um ein Jahrhundertwerk“, sagt der verantwortliche Initiator Anton Goll, der langjährige Chef der traditionsreichen Keramikmanufaktur Majolika. Die durch die Baustellen des großen Nahverkehrsprojekts gebeutelte Stadt könnte so wie ein Phoenix aus der Asche steigen. Einen „gewissen Elbphilharmonieeffekt“ verspricht sich Goll.

„Sieben Tage des Herrn“

Das Projekt könnte folgendermaßen aussehen: In den unterirdischen Stationen sollen auf jeder Seite Tafeln mit einer Größe von zwei mal viereinhalb Meter installiert werden. Thema: „Genesis - Sieben Tage des Herrn“. Also die biblische Schöpfungsgeschichte, verdichtet auf sieben Haltestellen. Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde - und Lüpertz für die neue Karlsruher U-Bahn die Kunst.

Der Maler, Bildhauer, frühere Düsseldorfer Akademierektor und von 1974 bis 1986 prägender Lehrer an der Karlsruher Kunstakademie hat hier seit vielen Jahren ein Domizil. Er sei ein „Ur-Karlsruher“, wie der 76-Jährige kürzlich sagte. Da sei es nur natürlich, dass er sich seiner Stadt gegenüber dankbar zeigen wolle.

Das Projekt soll durch Spenden und Sponsoren finanziert werden. „Zusagen über rund 600 000 Euro sind vorhanden“, Initiator Goll. Zwar würden den Verkehrsbetrieben über sechs Jahre Einnahmen auf Flächen entgehen, die sonst mit Werbung bestückt worden wären. Das würde aber „überkompensiert“ - durch mehr Besucher, die wegen der Lüpertz-Werke kommen, glaubt Goll.

U-Bahn-Stationen als Kunstparcours? Die Idee ist nicht ganz neu. So haben Künstler in Düsseldorf oder in Neapel ganze U-Bahnhaltestellen gestaltet. Wenn sich nun einer der bekanntesten Gegenwartskünstler für ein ähnliches Projekt in Karlsruhe findet, ist das für Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) „hochinteressant“. Entscheidend sei aber, dass es zum bereits beschlossenen Lichtkunstkonzept passt, dass es die relevanten Gremien befürworten und dass es privat finanziert wird.

Der Aufsichtsrat der Karlsruher Verkehrsbetriebe (VBK) hat schon genickt. Man hofft ebenso wie wie das Stadtmarketing auf einen Image- und Marketinggewinn und auf mehr Gäste, die bei Gastronomie, Hotels, dem Handel und anderen Kultureinrichtungen die Kassen klingeln lassen. Lüpertz würde Goll zufolge „weitgehend unter Verzicht seines Künstlerhonorars“ die Wandreliefs in der Staatlichen Majolika fertigen - was ganz nebenbei der seit Jahren kriselnden Manufaktur einen lukrativen Großauftrag sichern würde.

Eine Win-Win-Situation? Nicht ganz, meinen die Grünen im Gemeinderat. Sie lehnen das Lüpertz-Projekt ab. Über Kunstwerke im öffentlichen Raum sollte aus ihrer Sicht in einem „transparenten und demokratischen Verfahren“ entschieden werden. Und, so meint Grünen-Politikerin Renate Rastätter: „Es erschließt sich uns nicht, wie die von Lüpertz geplante Majolikakunst mit Motiven aus der biblischen Schöpfungsgeschichte mit der Funktionalität dieser Räume und mit dem modernen Lichtkonzept vereinbar ist.“ Auch seien noch immer keine konkreten Entwürfe vorgelegt worden. Die vermisst man auch in anderen Parteien. Die SPD ist deshalb zurückhaltend, aber nicht grundsätzlich abgeneigt. Die CDU als größte Fraktion befürwortet das Ganze, ist jedoch wegen der Finanzierung skeptisch. Wie der Gemeinderat morgen entscheidet, ist daher offen. In der Kunstkommission wurde das Projekt dem Vernehmen nach kontrovers diskutiert. Vor allem Kunstschaffende sollen sich dabei nicht als glühende Befürworter hervorgetan haben.

Während Goll unermüdlich für das Projekt wirbt, wettert eine Netz-Initiative gegen die „Leitkunst“ der alten Männer. „Wir wollen nichts von euch. Am allerwenigsten Lüpertz“, so eine Gruppe von Künstlern um Mitinitiator Ulrich Steinberg.

Das Karlsruher ZKM zeigt noch bis zum 20. August die Ausstellung „Markus Lüpertz - Kunst, die im Wege steht“ mit Malerei, Skulpturen, Reliefs und Druckstöcken.