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Ein früherer Betreuer von Pfadfindern in Staufen bei Freiburg steht wegen des Verdachts des hundertfachen und jahrelangen sexuellen Missbrauchs von Kindern vor Gericht.

Freiburg (dpa/lsw)Wegen hundertfachen sexuellen Missbrauchs von Kindern muss sich ein ehemaliger Betreuer von Pfadfindern in Freiburg vor Gericht verantworten. Dem 42 Jahre alten Mann werden in dem Strafprozess vor dem Landgericht Freiburg 330 sexuelle Übergriffe zur Last gelegt, wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagte. Der ehemalige Leiter einer evangelischen Pfadfindergruppe in Staufen bei Freiburg habe sich von Januar 2010 bis August 2018 an vier Jungen vergangen. Diese waren laut Anklage zum Zeitpunkt der Taten 7 bis 14 Jahre alt. Der Prozess beginnt am Montag (20.1.) und wird Gerichtsangaben zufolge voraussichtlich bis zum 18. Februar dauern.

Die Polizei hatte den Deutschen vor knapp einem Jahr - Ende Februar vergangenen Jahres - festgenommen. Er sitzt seither in Untersuchungshaft. Von 1999 bis 2011 sei der Kirchenmitarbeiter mit drei Jahren Unterbrechung in Staufen Gruppenleiter der örtlichen evangelischen Pfadfindergruppe gewesen. Dort habe er zwei der Opfer kennengelernt. Zu den beiden anderen Jungen habe er Kontakt über Freizeitaktivitäten sowie auf einem Campingplatz gehabt. Die Übergriffe ereigneten sich der Anklage zufolge in der Wohnung des Mannes.

Ursprünglich 676 Übergriffe angeklagt

Die Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich 676 sexuelle Übergriffe angeklagt, das Gericht ließ jedoch lediglich 330 Fälle zu. Diese werden nun verhandelt, wie ein Gerichtssprecher sagte. Geplant seien zunächst sieben Prozesstage

Auch ein 28-Jähriger - ebenfalls Betreuer der Pfadfindergruppe in Staufen - steht den Behörden zufolge im Verdacht des sexuellen Missbrauchs von zwei Jungen. Die Ermittlungen gegen ihn laufen noch, wie die Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagte.

Die Ermittlungen waren ins Rollen gekommen, als im Februar vergangenen Jahres die Mutter eines 17-Jährigen Anzeige erstattete. Nach Erkenntnissen der Polizei soll der nun angeklagte 42-Jährige sich seine Opfer «gezielt ausgesucht» haben. Er habe sie unter Druck gesetzt. Pro Opfer habe es mehrere Übergriffe wöchentlich gegeben. Die Kinder wurden durch die Missbrauchstaten laut den Ermittlern schwer traumatisiert und müssten unter «enormen, psychischen Belastungen» leiden.

Bereits zweite Missbrauchsklage gegen den 42-Jährigen

Der Mann aus Staufen, der sich jetzt vor Gericht verantworten muss, ist der Justiz kein Unbekannter. 2004 bis 2007 wurde gegen ihn nach Angaben der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des Kindesmissbrauchs ermittelt. Es habe damals jedoch Aussage gegen Aussage gestanden. Die Staatsanwaltschaft wollte demnach eine Geldstrafe, das Landgericht Freiburg sprach den Mann frei. Er ist den Angaben zufolge nicht vorbestraft. Ungeachtet des damaligen Verfahrens arbeitete er bis vor mehreren Jahren bei der evangelischen Kirche und betreute bei den Pfadfindern Kinder.

Hinweise auf Fehler bei der Kirche, für die der Mann arbeitete, oder beim Jugendamt gibt es der Staatsanwaltschaft zufolge nicht. Es sei daher nicht gegen Kirche oder Jugendamt ermittelt worden. Nach Bekanntwerden des Falls hatte die evangelische Kirche angekündigt, die Fälle möglichst schnell aufklären zu wollen und daraus Lehren zu ziehen. Ergebnisse wurden bislang öffentlich nicht bekannt.

Die Kleinstadt Staufen südlich von Freiburg war zuvor wegen anderer Sexualverbrechen an einem Jungen in den Schlagzeilen. Anfang August 2018 hatte das Landgericht Freiburg die Mutter des Jungen und ihren Lebensgefährten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Sie hatten das Kind mehreren Männern zum Vergewaltigen überlassen und sich selbst jahrelang an ihm vergangen. Einen Zusammenhang zu diesen Fällen des schweren Kindesmissbrauchs und den Missbrauchsvorwürfen bei den Pfadfindern gibt es den Angaben zufolge nicht.