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Die Vorgaben für den Erhalt weiterführender Schulen sind an sich klar: Bei weniger als 16 Schülern in der Eingangsklasse ist Schluss. Kultusministerin Eisenmann will das ändern.

Stuttgart (dpa/lsw)Die Kriterien für den Erhalt kleiner Haupt- und Werkrealschulen dürfen aus Sicht des Städtetags nicht aufgeweicht werden. «Wir sehen keinen Änderungsbedarf, die geltenden Bestimmungen haben sich bewährt», sagte Norbert Brugger, Bildungsdezernent des Kommunalverbandes, der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Damit reagierte er auf Pläne des Kultusministeriums, nicht die Anmeldungen für die Eingangsklasse als Maßstab für den Erhalt einer Schule zu nehmen, sondern den Durchschnitt der Klassen fünf bis neun.

Dies hätte aus Sicht des Städtetags die Folge, dass Schulschließungen verhindert oder aufgeschoben würden. Das Ministerium hingegen will die mühsam durchgesetzte regionale Schulentwicklung hinsichtlich der Werkreal- und Hauptschulen anpassen. Der grüne Koalitionspartner will da nicht mitziehen und mahnt Planungssicherheit an, die die regionale Schulentwicklung bringe.

Darunter ist die bewusste Planung der Schullandschaft zu verstehen mit dem Ziel, ein regional ausgewogenes Bildungsangebot mit allen Bildungsabschlüssen in zumutbarer zu Entfernung zu ermöglichen. Derzeit erhalten Schulen, die zwei Jahre in Folge weniger als 16 Anmeldungen für die fünfte Klasse haben, in der Regel keine neuen Schüler im dritten Jahr. Der Schulbetrieb läuft dann aus. Das soll sich nach den Plänen von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) ändern. Der Blick auf mehrere Klassen werde dem Schultyp gerechter. Fast die Hälfte der Absolventen komme nicht gleich zu Beginn in diese Schulen, sondern erst später, etwa von Real- oder Gemeinschaftsschulen.

Eisenmann: «Wir dürfen nicht riskieren, noch mehr Haupt- und Werkrealschulen zu verlieren.» Ihr Bildungsangebot sei unverzichtbar, um auch künftig in Kooperation mit Betrieben vor allem praktisch begabte Schüler zum Hauptschulabschluss zu führen. Eisenmann ist CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2021. Schulschließungen sind in der Bevölkerung sehr unbeliebt. Im Schuljahr 2016/17 gab es knapp 700 öffentliche Werkreal- und Hauptschulen im Land.

Die grüne Bildungsexpertin Sandra Boser erteilte Veränderungen der regionalen Schulentwicklung eine Absage. Damit seien stabile Standorte mit hoher Qualität gewährleistet. «Lehrer, Eltern, Schüler und Schulträger brauchen Planungssicherheit und weniger Scheindebatten.» Zwar wechselten zahlreiche Realschüler auf die Werkreal- und Hauptschulen. Aber die Realschulen hätten auch den Auftrag, leistungsschwächere Schüler zum Hauptschulabschluss zu bringen. «Hier sehen wir dringenden Handlungsbedarf an den Realschulen», betonte die Abgeordnete.

Aus Sicht des Städtetags würden mit dem neuen Maßstab knappe Ressourcen nicht optimal eingesetzt. Die jährlichen Sachkostenbeiträge (etwa Hausmeister, Ausstattung, Sekretariat) für Schüler an Werkreal-, Haupt- und Gemeinschaftsschulen lägen mit 1312 Euro pro Kopf weit über denen anderer allgemeinbildender Schularten. Der Betrag für die Realschulen beläuft sich auf 938 Euro.

Die veränderten Übergänge nach der Grundschule müssten auch in der Schulstruktur Niederschlag finden, forderte Brugger. Wechselten im Schuljahr 1995/96 37 Prozent aller Grundschulabgänger auf eine Werkreal- oder Hauptschule, so waren es zum ablaufenden Schuljahr noch 5,9 Prozent. Der Aderlass dieser Schulart werde durch die Gemeinschaftsschule noch forciert, die eine Übergangsquote von 12,8 Prozent aufweist. Der rückläufige Trend wurde im Schuljahr 2018/19 allerdings durch eine leichte Zunahme um 0,2 Prozentpunkte gestoppt.

Nach der derzeitigen Regelung kann auch eine kleine Schule bestehen bleiben, wenn keine andere Schule den entsprechenden Bildungsabschluss in zumutbarer Entfernung anbieten kann. Auch diese Ausnahmeregelung rechtfertigt aus Sicht des Städtetages den Erhalt uneffizienter Schulstandorte nicht. Denn der Hauptschulabschluss werde an fast 1000 Standorten im Südwesten angeboten - an Realschulen, Gemeinschaftsschulen und den noch bestehenden Werkrealschulen.

Zum Vergleich: Das allgemeine Abitur werde an nur 378 Standorten angeboten. «Auf den Kosten für Parallelstrukturen bleiben die kommunalen Schulträger sitzen», sagte Brugger. Der Erhalt kleiner Schulen komme aber auch das Land wegen nicht effizienten Einsatzes von Lehrkräften teuer zu stehen. Er plädierte für weitere Verbünde von Werkrealschulen und Realschulen als Alternative zu Schließungen.