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Die Zahl der Straftaten mit antisemitischem und fremdenfeindlichem Hintergrund steigt im Südwesten. Das hat unterschiedliche Ursachen. Bei den Delikten aus Judenhass spielt auch eine neue Kategorisierung eine Rolle, wie eine Expertin meint.

Stuttgart (dpa/lsw) Die Zahl der Delikte aus antisemitischen und fremdenfeindlichen Motiven ist im vergangenen Jahr stark gestiegen. Bei den Straftaten gegen Flüchtlinge hingegen deutet sich erneut ein Minus an.

In den ersten neun Monaten 2018 registrierte das Innenministerium einen Anstieg bei fremdenfeindlichen Delikten von 40,6 Prozent auf 412 Fälle, darunter 26 (Vorjahreszeitraum: 18) Gewaltdelikte. Die Zahl der Fälle mit antisemitischem Hintergrund wuchs um 38,1 Prozent auf 87 (63) Delikte, davon ein (Vorjahreszeitraum: null) Gewaltdelikt. Ein Sprecher des Ministeriums führte die steigenden Zahlen unter anderem auf eine erhöhte Bereitschaft, solche Delikte anzuzeigen, und auf Nachahmer zurück. Die endgültigen Zahlen für 2018 werden im März veröffentlicht.

Susanne Jakubowski vom Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg gab zu Bedenken, dass der Anstieg bei den antisemitischen Delikten zum Teil auf einer neuen Zuordnung von Straftaten in die Kategorie Antisemitismus beruhe. Dadurch sei eine klarere Darstellung erreicht. «Zuvor wurden Dinge durch eine andere Kategorisierung unter dem Teppich gehalten.»

Außerdem wagten angesichts eines durch die AfD veränderten politischen Klimas mehr Menschen unter dem Deckmantel der freien Meinungsäußerung antisemitische Aussagen. Schmierereien an Synagogen und Friedhofsschändungen kämen nun häufiger vor, sagte die Architektin, die auch dem Expertenrat der Landesregierung angehört.

Das im November 2018 gegründete Gremium unter Leitung des Antisemitismus-Beauftragten Michael Blume beschäftigt sich mit antisemitischen Entwicklungen. Etwa 20 jüdische und nicht-jüdische Fachleute aus Wissenschaft, Verbänden und Zivilgesellschaft treffen sich mindestens zwei Mal im Jahr und sollen alle vier Jahre dem Landtag berichten. Jakubowski betonte, bei einem Bericht dürfe es nicht bleiben. Ihr liege am Herzen, ganz konkrete Schritte gegen Antisemitismus zu entwickeln.

Den weiteren Rückgang bei Straftaten gegen Asylsuchende führt ein Sprecher des Innenministeriums auch darauf zurück, dass es weniger Konflikte unter den Asylsuchenden gebe. So lebten weniger Asylsuchende in Flüchtlingsheimen und immer mehr seien in den Kommunen in kleineren Einheiten untergebracht. Dort gebe es weniger Streitigkeiten. Auch gebe es weniger Verletzte, teilte das Ministerium weiter mit.

Im Jahr 2017 hatte es 104 530 Opfer in Baden-Württemberg gegeben, darunter 5020 Flüchtlinge. Im Jahr zuvor waren es noch 5269. Zu den Straftaten gehörten 2017 rund 2600 leichte und mehr als 1700 schwere Körperverletzungen. Die Zahl der Frauen unter den Opfern lag bei 15,1 Prozent.