Am Landgericht Karlsruhe sind für den Beginn des «Mafia-Prozesses» erhöhte Sicherheitsvorkehrungen vorgesehen. Foto: Uli Deck Foto: dpa

Ein wenig ist es zu Beginn wie im Film: Neun teils bullige Männer betreten nacheinander den Gerichtssaal. Breites Grinsen. Man gibt Küsschen. Und wehrt sich gegen Vorverurteilungen.

Karlsruhe (dpa) So voll ist der Karlsruher Gerichtssaal selten: Dicht gedrängt zwischen zahlreichen Verteidigern sitzen am Freitag neun mutmaßliche Mafiosi auf den Anklagebänken. Die Männer sind in dem Prozess vor dem Landgericht Konstanz wegen bandenmäßiger Drogengeschäfte angeklagt, Verbindungen zu italienischen Mafia werden vermutet.

Aussagen wollen sie zunächst nicht. «Wer nichts sieht, nichts hört und nicht redet, wird in Ruhe hundert Jahre alt», sagt der Anwalt eines der Männer kurz nach Verlesung der Anklage in Richtung des Vorsitzenden Richter Arno Hornstein. «Mein Mandant ist ein unbescholtener Pizzabäcker.»

Die Männer stehen wegen Drogenhandels in großem Stil vor Gericht. Sie sollen über Jahre kiloweise Marihuana, Haschisch oder auch Kokain für Hunderttausende Euro verkauft haben. Verhandelt wird aus Platzgründen zwei Tage in Karlsruhe, bevor die Konstanzer Strafkammer für den weiteren Prozessverlauf in eine umgerüstete Kantine in der Stadt am Bodensee umzieht.

Zur Last gelegt werden den Beschuldigten auch Körperverletzung, Brandstiftung, versuchter Raub und illegaler Waffenbesitz. Ein 49-Jähriger muss sich zudem wegen versuchten Mordes verantworten: Ende Mai 2017 soll er aus einem fahrenden Auto fünfmal in das erleuchtete Fenster eines Restaurants in Hüfingen im Schwarzwald-Baar-Kreis geschossen habe. Hintergrund waren laut Anklage «massive Streitigkeiten» wegen Drogengeschäften.

Die Angeklagten lehnen vor der Konstanzer Strafkammer überwiegend auch Angaben zur Person ab. Allerdings könnte sich diese Haltung im Verlauf des Prozesses ändern, lassen einige Verteidiger verlauten. Kurz wird wegen Problemen mit den Mikrofonen gestritten und lange über den Gesundheitszustand eines der Angeklagten .

Gleichzeitig kritisieren Anwalt Martin Stirnweiss und zwei seiner Kollegen die «Vorverurteilungen in der Presse», die ihre Mandanten als angebliche Mafia-Mitglieder in ein völlig falsches Licht rückten. Es werde sich im Verlauf des Verfahrens herausstellen, dass viele der Vorwürfe falsch seien. Außerdem, so Stirnweiss, sei allein eine Zugehörigkeit zur Mafia in Deutschland nicht strafbar.

Bei allen Angeklagten vermutet die Staatsanwaltschaft Konstanz sowie die in Palermo Verbindungen zur Mafia-Organisation Cosa Nostra und 'Ndrangheta. Vier gelten als Hauptbeschuldigte, da sie die illegalen Geschäfte kontrolliert und gesteuert haben sollen. Italienische und deutsche Behörden hatten in dem Fall monatelang gemeinsam ermittelt.

In der fast 120 Seiten langen Anklageschrift wird ein gut organisiertes Geflecht von Drogenkäufen, Drogenverkäufen und Drogentransporten zwischen Deutschland und Italien oder auch der Schweiz und Holland beschrieben. Kiloweise verkauften die Beschuldigten demnach vor allem Marihuana, aber auch Haschisch und Kokain an Abnehmer im Südwesten und in Italien.

Kokain wurde beispielsweise in Holland gekauft, später mit Ammoniak gestreckt und dann verkauft. In unterschiedlicher Besetzung sollen die Drogengeschäfte zwischen Ende 2013 bis Mitte 2017 abgewickelt worden sein: Auf Parkplätzen, vor allem aber auch in Pizzerien und Restaurants.

Die Beschuldigten werden von insgesamt 17 Verteidigern vertreten, ihnen gegenüber stehen zwei Staatsanwälte auf der Anklägerseite. Der Prozess begann unter hohen Sicherheitsvorkehrungen mit strengen Eingangs- und Personenkontrollen. Insgesamt sind 67 Verhandlungstage geplant. Ein Urteil könnte es frühestens Mitte 2019 geben.