Stuttgart: Ralf Michelfelder, der Präsident des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg. Foto: dpa

Ist die Polizei eine Elite-Truppe? Oder sind die Männer und Frauen in den Uniformen eher ein Spiegelbild der Gesellschaft, die sie schützen sollen? LKA-Präsident Michelfelder ist da anderer Ansicht als die Polizeigewerkschaften.

Stuttgart (dpa/lsw) Ein «Freund und Helfer» soll sie sein, die Polizei. Ein Querschnitt der Gesellschaft ist sie dagegen aus Sicht des Präsidenten des Landeskriminalamts Baden-Württemberg keineswegs. «Ich wehre mich grundsätzlich immer gegen den Begriff, wir wären ein Spiegelbild der Gesellschaft - denn dann bräuchten wir kein Auswahlverfahren. Von dem Satz halte ich gar nichts», sagte Ralf Michelfelder der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. «Das kann nicht unser Anspruch sein. Unser Anspruch muss höher liegen - deutlich höher.»

Es gehe bei der Auswahl etwa um charakterliche und sportliche Eignung, im persönlichen Gespräch prüfe man die Kandidaten auf ihre soziale Einstellung, ihre Teamfähigkeit und ob sie mit beiden Beinen auf dem Fundament der Gesellschaft stünden. «Wir legen enorm großen Wert darauf, die richtigen Leute auszusuchen», sagte Michelfelder. «Dass da auch mal was durchrutschen kann, will ich nicht ausschließen.» Selbst dann reagiere die Polizei konsequent, etwa mit Disziplinarverfahren.

Mit seiner These stößt Michelfelder bei Teilen der Polizei auf starke Kritik. Die Polizei sei zwar tatsächlich kein Spiegelbild der Gesellschaft, sagt Oliver von Dobrowolski, Vorsitzender der Gruppierung «Polizei-Grün», die Beamte mit Sympathien für grüne Positionen vereint. «Aber wir versammeln nicht die Elite, wie Herr Michelfelder das formuliert, sondern wir geben auch Randgruppen wie Waffennarren einen Raum.» Es sei zudem problematisch, dass sich die Polizei bei den Bewerbern mit ihrem Besoldungssystem nicht gegen die starke Konkurrenz auf dem Markt zur Wehr setzen könne. «Es ist kaum möglich, die Besten zu bekommen», sagte von Dobrowolski, der selbst Polizist in Berlin ist.

Die Gewerkschaft der Polizei sieht das ähnlich: «Michelfelder sieht ein Wunschbild, das es so nicht gibt», sagt der GdP-Landesvorsitzende Hans-Jürgen Kirstein. «Wir treffen nicht die beste Auswahl, wir lassen die Besten ziehen.» Das Auswahlverfahren sei zu langatmig, außerdem stimmt die Besoldung nicht. «Wenn wir gute ausgebildete Polizisten haben wollen, dann müssen wir sie in den gehobenen Dienst übernehmen und sie direkt in die Besoldungsgruppe A11 eingruppieren.»

Die konkurrierende Deutsche Polizeigewerkschaft hält dagegen: «Bei der Polizei befindet man sich ständig in der Auswahl, wir haben zudem bei den Kommissariatsanwärtern und zunehmend auch im mittleren Dienst vor allem Abiturienten. Wir stehen stärker im Fokus als der Querschnitt der Gesellschaft», sagt der DPolG-Landesvorsitzende Ralf Kusterer. «Wir sind kein Spiegelbild. Und wir dürfen es auch nicht sein.»

Auch in der Frage eines möglichen Abdriftens von Polizisten und Soldaten Richtung AfD widersprechen sich Michelfelder und die Gewerkschaften. Der LKA-Präsident sieht konservative Wertorientierungen zwar in dem Beruf eher vertreten als andere Einstellungen. «Das heißt aber selbstverständlich nicht, dass man sich außerhalb unserer demokratischen, rechtsstaatlichen Werteordnung bewegt.» Er wisse kaum von AfD-Sympathisanten bei der Polizei. Der CDU-Politiker Friedrich Merz hatte im Juni vor einem Abdriften von Polizisten und Soldaten hin zur AfD gewarnt und damit eine Diskussion über die Sicherheitspolitik der Regierung angestoßen.

Dagegen verweisen die GdP und Polizei-Grün unter anderem auf das politische Engagement von Polizisten für die AfD. «Man braucht bei den jüngsten Wahlergebnissen und den Erfolgen dieser Partei nicht zu denken, dass es nicht auch bei der Polizei entsprechende Affinitäten gibt», sagt GdP-Landeschef Kirstein. «Es gibt ja sogar Kandidaten bei der Polizei in Baden-Württemberg.»