Stuttgart (lsw) - Nach desolaten Wahlergebnissen hat die SPD im Südwesten eine Erneuerung versprochen - doch was wurde daraus? Vor dem Parteitag heute in Donaueschingen kommen Kritiker der Landesparteiführung aus der Deckung. Juso-Landeschef Leon Hahn sagte, es gebe eine Unzufriedenheit in der Partei. Seit der Landtagswahl 2016 sei bereits zu viel Zeit vergangen, um sich auf die nächste Wahl 2021 vorzubereiten.

Vize-Parteichef Frederick Brütting, der auch Bürgermeister von Heubach ist, sagte gestern: „Wir müssen eine Debatte darüber beginnen, wie wir die Landes-SPD ausrichten.“ Es stünden im Jahr 2019 nicht nur Kommunalwahlen an, sondern im kommenden Jahr auch eine Reihe von Oberbürgermeisterwahlen. Die Partei müsse sich intensiver darum kümmern, dafür geeignete Kandidaten zu finden. Der SPD-Bürgermeister der Stadt Tengen, Marian Schreier, sagte: „Ich habe den Eindruck, dass bei einigen der Ernst der Lage für die SPD in Baden-Württemberg noch nicht voll erkannt worden ist.“ Er erwarte von der Landesvorsitzenden Leni Breymaier und der Parteiführung mehr Impulse beim Versuch, die Partei neu aufzustellen.

Kritik gibt es vor allem auch am Kurs von Generalsekretärin Luisa Boos und ihrem ersten Entwurf für einen Leitantrag zum Parteitag. Darin verlangt die Generalsekretärin, dass die SPD ihr Profil als linke Volkspartei schärfen müsse. Der „Mannheimer Morgen“ zitierte ein Vorstandsmitglied mit den Worten: „Der Antrag beschäftigt sich nur mit Nebensächlichkeiten. Er benennt nicht die eigenen Fehler und die eigene Verantwortung.“ Dem Vernehmen nach fand ein erster Entwurf des Leitantrags von Boos im Parteivorstand keine Zustimmung. Brütting, Hahn und andere wollen einen eigenen Gegenantrag unter dem Titel „Neustart SPD. Volkspartei bleiben“ zur Abstimmung stellen. Bei der Landtagswahl 2016 hatte die Südwest-SPD nur 12,7 Prozent eingefahren. Es reichte nicht für die angestrebte Fortsetzung der grün-roten Landesregierung. Die SPD sitzt seitdem nur noch mit 19 Abgeordneten im Parlament - als Opposition. Bei der Bundestagswahl im September dieses Jahres bekam die SPD im Südwesten 16,4 Prozent. Das Duo Breymaier/Boos, das dem linken Parteiflügel zuzurechnen ist, ist seit rund einem Jahr im Amt.

„Ziel nicht klar erkennbar“

Juso-Landeschef Hahn beklagte: „Die organisatorische und inhaltliche Neuaufstellung der SPD ist bisher sehr wenig fortgeschritten.“ Hahn forderte zum Beispiel die Erarbeitung eines „Grundsatzprogramms Baden-Württemberg 2030“ für die Südwest-SPD, das bis Mitte 2018 erarbeitet werden solle. Dabei müsse geklärt werden, auf welchen grundsätzlichen Zielen die SPD ihre Politik in den kommenden Jahren aufbauen wolle. In Rheinland-Pfalz habe man gesehen, dass die SPD Wahlen dann gewinne, wenn sie in langen Linien denke und langfristig Haltung wahre. „Dafür müssen wir aber auch ein Ziel benennen. Und dieses Ziel ist für mich im Moment nicht klar erkennbar.“

Nach Hahns Worten sind in der Landespartei nach wie vor Kämpfe zwischen den verschiedenen Flügeln ein Problem. Angesichts der Wahlergebnisse habe die Parteibasis dafür aber kein Verständnis. Vieles ist dem Juso-Landeschef zudem zu rückwärtsgewandt. „Es gibt manche in der SPD, die glauben, man würde Wahlen gewinnen, indem man Reformpakete von vor 20 Jahren diskutiert oder sich auf Erfolgen ausruht, indem man die Zusammensetzung von Gremien oder die Spiegelstriche von Statuten neu ordnet.“ Wahlen könne die SPD aber nur gewinnen, wenn sie sich wieder den Platz im Volk erarbeite.