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Es handelt sich um eine jüdische Bibel; die Kommentare sind aber christlicher Herkunft.

Überlingen (dpa/lsw)Neu entdeckte Notizen in einer Bibel geben überraschende Hinweise auf die Beziehungen von Christen und Juden zur Reformationszeit. Die handgeschriebenen Randbemerkungen wurden in Überlingen am Bodensee in einer Bibel aus dem Jahr 1521 entziffert. Das Besondere daran: Es handelt sich um eine jüdische Bibel; die Kommentare sind aber christlicher Herkunft, wie der Überlinger Kulturreferent Michael Brunner am Donnerstag mitteilte: «Das ist extrem selten.»

Die sogenannte Bomberg-Bibel ist auf Hebräisch verfasst und war für den jüdischen Gebrauch bestimmt. Um 1500 galten solche Bücher unter Katholiken als ketzerisch. Brunner zufolge geht aus den Notizen hervor, dass der katholische Inquisitor Kaspar Schatzgeyer die jüdische Bibel in seine Obhut nahm und vor der Zerstörung bewahrte - obwohl er verpflichtet war, sie verbrennen zu lassen. Stattdessen förderte der Franziskanermönch die theologische Beschäftigung mit der jüdischen Bibel. Den Angaben zufolge planten Franziskanermönche damals vermutlich, die erste hebräische Bibel nördlich der Alpen drucken zu lassen.

Die Bomberg-Bibel ist seit 1832 im Besitz der Überlinger Leopold-Sophien-Bibliothek, wurde aber nie eingehend untersucht. Brunner, selbst promovierter Historiker, stieß im Januar auf die Kommentare darin - zufällig, wie er sagt. Nun sollen andere Historiker, Theologen und Judaisten bei der weiteren Deutung helfen. Geplant ist, die Ergebnisse 2021 zum 150. Jubiläum der Städtischen Sammlungen zu veröffentlichen und die Bibel dann auszustellen.