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Wer in einem gefährdeten Gebiet lebt, ist auf genaue Prognosen angewiesen. Die Hochwasservorhersagezentrale setzt auf Technik und Erfahrung.

Karlsruhe (dpa/lsw)Wenn irgendwo in Baden-Württemberg Fluten drohen, erwacht in Karlsruhe die Hochwasservorhersagezentrale (HVZ) zum Leben - und wird zur brummenden Schalt- und Entscheidungsstelle. Dann haben die Frauen und Männer um ihren Chef Manfred Bremicker rund um die Uhr zu tun. «Bei Hochwasser klingelt das Telefon ununterbrochen», sagt der 55 Jahre alte Referatsleiter im Landesamt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW). Behörden, Medien, Regierung, Katastrophenschutz - jeder fordert eine verlässliche Prognose, wie stark Flüsse wie Rhein, Neckar, Jagst oder Dreisam nach Dauerregen oder Schneeschmelze steigen. Denn der Grat zwischen 'nichts passiert' und 'alles überflutet' kann schmal sein.

Aus Tausenden Messwerten der 330 Pegel im Land und aus den Prognosen zahlreicher Wettermodelle formen sich über das ständig rechnende HVZ-Vorhersagesystem Tabellen, Grafiken und Karten auf den Bildschirmen. Aber die Daten, deren Menge sich nach Bremickers Worten in den vergangenen Jahren drastisch erhöht hat, sind nicht alles. «Das hat sich gigantisch entwickelt», sagt er. Es brauche aber immer auch erfahrene Hydrologen, die aus dem Zusammenspiel von Wetterprognosen und aktueller Situation der Gewässer und Böden eine Prognose ableiten.

Was passiert, wenn ein Pegel ausfällt, eine Datenleitung unterbrochen wird oder ein Rechner streikt? Alle Systeme sind zweimal vorhanden, genannt wird das Redundanz. «Damit die Daten auch da sind, wenn sie gebraucht werden», sagt der promovierte Hydrologe.

Schwierig bis unmöglich ist trotz aller Fortschritte aber immer noch die exakte Vorhersage von kleinräumigen Überschwemmungen nach schweren Gewittern. Solche Starkniederschläge hatten zum Beispiel im Mai 2016 in Braunsbach (Kreis Schwäbisch Hall) oder ein Jahr zuvor in Bretten (Kreis Karlsruhe) große Schäden angerichtet. Apps wie «MeinePegel» der Hochwasserzentralen oder «WarnWetter-App» des Deutschen Wetterdienstes geben Hinweise vor Gefahren, ohne aber den Ort einer solchen Sturzflut ganz exakt benennen zu können.

Für Dämme, Deiche und Sperrtore, für Notfallvorbereitungen und -hilfe sind andere Behörden und Einsatzkräfte zuständig, etwa die Landkreise und Regierungspräsidien, die Feuerwehren und das Technische Hilfswerk. Sie bereiten sich anhand der Vorhersagen auf ihre Einsätze vor.

Damit es möglichst nicht zu Überschwemmungen kommt - die zum Beispiel entlang des Rheins wegen dichter Besiedelung und zahlreicher Industrieanlagen katastrophale Folgen hätten - wurden in Frankreich, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zwischen Basel und Worms in den vergangenen Jahren zahlreiche Rückhalteräume gebaut. Weitere sind in Planung. Allerdings gibt es auch Kritik von Anwohnern und Umweltschützern an Poldern, etwa wegen der Gefahr steigenden Grundwassers.

Nach Bremickers Angaben stehen 14 solcher Einrichtungen mit zusammen rund 172 Millionen Kubikmeter Fassungsvermögen zur Verfügung. Beim Rheinhochwasser 2013 wurden fünf Rückhaltemaßnahmen mit zusammen 50 Millionen Kubikmeter Volumen eingesetzt. Der Hochwasserstand in Karlsruhe-Maxau wurde damit um 24 Zentimeter auf 8,70 Meter reduziert.

Bremicker empfiehlt jedem, der in der Nähe eines Flusses wohnt, sich über Hochwassergefahren und das Verhalten im Notfall zu informieren. Um Behörden und Betroffenen eine möglichst lange Vorbereitungszeit zu geben, hat die HVZ gerade ihren Prognosehorizont von sieben auf bis zu zehn Tage verlängert. Aus allen verfügbaren Daten errechnen die Hydrologen eine wahrscheinliche Kurve des Wasserstands, geben aber auch eine Bandbreite der möglichen Entwicklung an.

Der Landesbetrieb Gewässer beim Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe ist unter anderem für die Hauptdämme des Rheins zuständig, die große Landstriche vor Überflutung schützen. «Zur Steuerung der Hochwasserschutzeinrichtungen sind die Daten und Vorhersagen der Hochwasservorhersagezentrale von elementarer Bedeutung», sagt die Sprecherin des Regierungspräsidiums, Irene Feilhauer. Das RP unterstützt als höhere Katastrophenschutz- und Wasserbehörde, wenn mehrere Landkreise durch ein Versagen von Schutzeinrichtungen bedroht sind. «Die Zusammenarbeit mit der HVZ ist eng, vertrauensvoll und unkompliziert», lobt Feilhauer.