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Die Lehrer fühlen sich beim Dauerthema Gewalt gegen Pädagogen alleingelassen. Das Ministerium kümmere sich nicht darum, moniert der Lehrerverband VBE. Die Ministerin verweist auf Unterstützungsangebote.

Stuttgart (lsw) - Sie werden beleidigt, getreten oder im Internet geschmäht - Angriffe gegen Lehrer sind aus Sicht des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) in den Schulen fast an der Tagesordnung. Doch die Politik und die Schulen selbst thematisierten das weiterhin nicht, monierte VBE-Landeschef Gerhard Brand am Mittwoch in Stuttgart. Das sei die Schlussfolgerung nach zwei Umfragen zu diesem Thema aus den Jahren 2016 und 2018. «Die Politik muss mit dem Märchen vom Einzelfall aufhören», sagte er bei der Vorstellung der Forsa-Umfrage «Gewalt gegen Lehrkräfte aus Sicht der Schulleiter».

Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) sagte: «Wir beobachten häufiger eine fehlende Wertschätzung gegenüber der Institution Schule und gegenüber Lehrern.» Das dürfe kein Tabu-Thema sein. Sie forderte alle Schulen auf, Vorfälle von Gewalt umgehend der Schulaufsicht zu melden. Man brauche einen systematischeren Überblick über Art und Ausmaß solcher Vorfälle.

In der jüngsten Forsa-Umfrage berichteten 45 Prozent der Rektoren im Südwesten, dass Lehrer an ihrer Schule beschimpft, bedroht, beleidigt, gemobbt oder belästigt worden seien. Jeweils 16 Prozent der Schulleiter gaben an, Kollegen seien an ihrer Schule über das Internet beziehungsweise körperlich attackiert worden. Erstaunlich ist, dass fast ein Drittel der befragten Leiter von Grundschulen bundesweit von körperlichen Angriffen auf Lehrer berichteten. Zwar seien das meist kleinere Schubser, aber man müsse den Anfängen wehren, sagte Brand. Für rund 36 Prozent der befragten Rektoren wird der Komplex viel zu wenig beleuchet.

Bereits 2016 hatte jeder fünfte Lehrer im Südwesten von verbalen Übergriffen berichtet. Jedoch sei in der Zwischenzeit nichts zu deren Schutz passiert, sagte Brand. «Das Kultusministerium hat seine Hausaufgaben nicht gemacht.» Er wünsche sich eine gesetzliche Regelung wie bei Polizisten, die Angriffe auf Lehrer stärker ahndet. Auch Anzeigen gegen Eltern oder Schüler dürften nicht länger tabu sein.

Aber auch die Opfer müssten mutiger werden und ihre Erfahrungen aufdecken, verlangte Brand. Häufig suchten sie die Schuld für die gestörte Schüler-Lehrer-Beziehung bei sich selbst. Auch mancher Rektor scheue vor Bekanntgabe von Gewalt zurück - aus Angst um das Image seiner Schule. Studium und Referendariat würden nicht auf den Umgang mit Gewalt vorbereiten. Die Fortbildung dazu sei fünffach überbucht. «Schulleitungen sind nicht dazu ausgebildet, psychologisch unterstützend für Lehrer zu wirken.» Hier müsse das Land für einfache Zugänge zu Hilfe zu sorgen, etwa zu den Schulpsychologen.

Allerdings gaben in der Umfrage 85 Prozent der befragten Rektoren an, ihre Kollegen im Fall von Gewalterfahrung ausreichend unterstützt zu haben. Eisenmann verwies auf ein breites Präventionsangebot.

Die amtliche Kriminalitätsstatistik weist für den Tatort Schule in der Zeit von Montagfrüh bis Freitagspätnachmittag fast 8000 Fälle (2016) im Land aus.

Der SPD-Bildungsexperte Daniel Born fordert eine Politik des aktiven Hinschauens und eine neue Rückmeldekultur. «Schulen sind Erfahrungsraum für unsere Demokratie – da darf Gewalt keinen Platz haben und schon gar nicht zur Normalität werden.» Die FDP im Landtag empfiehlt eine Stelle beim Ministerium gegen Gewalt und Cybergewalt.

Nach Worten Brands kann Schulsozialarbeit zur Entspannung an den Schulen beitragen. Der Sozialarbeiter habe ein anderes Verhältnis zu den jungen Menschen, denn er verteile keine Noten. Ein Ausbau der Angebote wie ihn der Städtetag fordert würde er begrüßen. Der Städtetag verlangt mehr Mittel vom Land als die derzeit 25 Millionen Euro im Jahr für die derzeit 1508 Schulsozialarbeiter.