Hartmut Engler, Sänger der Band Pur, wird von Susanne Eisenmann (CDU), Kultusministerin von Baden-Württemberg, als neuer Botschafter für Schreib- und Leseausbildung vorgestellt. Foto: dpa

Die schwäbische Pop-Band Pur gilt als eine der erfolgreichsten deutschen Musikgruppen. Sänger Hartmut Engler ist jetzt im Dienste des Kultusministeriums unterwegs.

Stuttgart (dpa/lsw) Pur-Sänger Hartmut Engler will die Analphabeten in Baden-Württemberg dazu motivieren, lesen und schreiben zu lernen. Das Kultusministerium konnte den 57-Jährigen für seine Alphabetisierungskampagne als Botschafter gewinnen. «Mich hat es echt erschlagen, dass es in Baden-Württemberg fast eine Million Erwachsene gibt, die nicht richtig lesen und schreiben können», sagte Engler am Montag in Stuttgart. Das müsse sich unbedingt ändern.

«Das ist für den Betroffenen eine ganz schwierige Situation», sagte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). «Es geht darum, deutlich zu machen, dass es nicht schlimm ist, wenn man es nicht kann.» Die Ministerin betonte, dass Hilfe da sei, die man gerne annehmen könne.

Ihr Ministerium beschreibt die Alphabetisierung und Grundbildung von Erwachsenen als zentrales Ziel der Bildungspolitik des Landes. Für den Ausbau von Kursangeboten stellte das Land im Nachtragsetat für 2019 und 2020 insgesamt rund 1,2 Millionen Euro zu Verfügung. Damit sollen neue Kurse und sogenannte Grundbildungszentren gefördert werden, eine Ausschreibung dafür lief bis vergangenen Freitag.

Im Landkreis Konstanz und in Heidelberg gibt es seit vergangenem Jahr jeweils ein Grundbildungszentrum - es sind die beiden ersten im Land. Die Zentren sollen beispielsweise über Lerncafés oder Schreibbüros einen einfachen Zugang zu Lernangeboten ermöglichen. Bis zum Jahr 2021 könnten nach dem Wunsch der Kultusministerin bis zu acht weitere Grundbildungszentren im Land eingerichtet werden.

Unterstützung für die Kampagne der CDU-Ministerin kam von der SPD-Fraktion im Landtag: «Das Schattendasein des Analphabetismus muss beendet werden. Es ist richtig, das Thema ins Zentrum der öffentlichen Diskussion zu rücken», sagte SPD-Bildungsexperte Daniel Born. Ein prominentes Gesicht könne dabei nur helfen, aber: «Der nachhaltige Erfolg der Maßnahmen und die verbesserte Teilhabe der Betroffenen werden jedoch vor allem von den Strukturen und der Qualität der Förderung abhängen.»

Ein Betroffener, der an der Vorstellung des neuen Botschafters teilnahm, hält mehr Fördergelder und mehr Unterstützung für sinnvoll. Marcel Menger lag in seiner Kindheit eine Zeit im künstlichen Koma, wurde danach in der Schule nicht richtig gefördert. Wenn er Nudeln kaufen wollte, musste Menger sich die Farbe und Form der Packung einprägen, seine Eltern hatten eine Vollmacht um Verträge unterschreiben zu können. «Meine beste Freundin und andere Freunde haben gesagt, das kann doch nicht so gehen», so Menger. Vor zwei Jahren - mit 30 - begann er an einer Volkshochschule eine Lese- und Schreibausbildung, die er aber selbst finanzieren muss.

Funktionale Analphabeten sind Menschen, die Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben haben. Sie können keine zusammenhängenden Texte aufnehmen. Die Zahl der Menschen mit solchen Problemen liegt im Südwesten bei über einer Million. Hartmut Engler von Pur soll die Weiterbildungsmöglichkeiten des Kultusministeriums bewerben, unter anderem Interviews und Videobotschaften seien denkbar. Der Sänger und Songwriter hält es sogar für möglich, dass das Ganze in einen Song einfließe. «Das weiß man bei mir nie», so Engler.