Von Bettina Grachtrup

Donaueschingen - Vier SPDler haben eine ganz kurze Nacht hinter sich, als sie am Samstag zum Landesparteitag in Donaueschingen (Schwarzwald-Baar-Kreis) kommen. Bis 3.30 Uhr in der Früh saßen sie zusammen, um aus zwei miteinander konkurrierenden Leitanträgen einen einzigen zu machen. Letztlich gelingt das Unterfangen. Kurz vor dem Delegiertentreffen stimmt der Parteivorstand dem Ergebnis zu. Auch die Delegierten selbst geben dem neuen Antrag ihren Segen, in dem es um die Konsequenzen aus den verlorenen Wahlen und die Neuaufstellung der Sozialdemokraten in dem Bundesland geht.

Ist damit wieder alles gut in der Südwest-SPD? Von wegen. Allein die Tatsache, dass dieses nächtliche Krisentreffen überhaupt nötig war, spricht Bände. Da legte Generalsekretärin Luisa Boos vor einigen Tagen einen Entwurf für einen Leitantrag vor, der für einige Vorstandsmitglieder so nicht tragbar war. Deshalb erarbeitete Juso-Landeschef Leon Hahn zusammen mit Parteivize Frederick Brütting in der Stille einen Gegenantrag, den sie kurz vor dem Parteitag über die Medien ankündigten. Parallel kritisierten mehrere SPD-Politiker öffentlich - und teils anonym - die Parteiführung.

Im Zentrum steht die Frage, was die baden-württembergische SPD aus der verlorenen Landtagswahl 2016 und auch aus der verlorenen Bundestagswahl vom September lernen muss. Den Kritikern geht die Erneuerung der Partei viel zu langsam. Immerhin stehen 2019 sowohl Kommunal- als auch Europawahlen an. Im Jahr 2021 gibt es eine Landtags- und eine Bundestagswahl.

Schwierige Gemengelage

Doch ist die SPD überhaupt in der Lage, Wahlkämpfe zu führen, jetzt, wo sie eine Reihe von Bundestags- und Landtagsabgeordneten in der Fläche verloren hat? Was ist das Versprechen einer Verjüngung wert, wenn Politiker unter 35 Jahren - wie zur letzten Bundestagswahl - keine aussichtsreichen Listenplätze bekommen? Und wie nutzt man das Potenzial der vielen Neumitglieder?

Der Konflikt geht noch tiefer. Parteichefin Leni Breymaier und ihre Generalsekretärin Boos sind seit rund einem Jahr im Amt. Beide gehören dem linken Parteiflügel an, was nicht allen in der Partei passt. Dennoch hielten viele Kritiker die Füße still, weil man der neuen Führung eine Schonzeit zubilligte und weil die Bundestagswahl ins Haus stand. Die ist nun vorbei. Und so mancher Kandidat, der auf den Einzug in den Bundestag hoffte, wurde bitter enttäuscht.

Diese Gemengelage ist schwierig für Breymaier. Sie versucht auf dem Parteitag, den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sie habe immer gesagt, dass es nach der Bundestagswahl um neue Strukturen gehen solle. „Wir sind völlig im Zeitplan.“ Wenn es Ungeduldige gebe, sei das in Ordnung. Sie räumt ein, dass etwa die Landesliste zur Bundestagswahl nicht optimal gewesen sei. „Es ist keine Liste, bei der ich sage: Hurra, hurra, tragt mich alle durch den Saal auf der Sänfte.“

„Rückwärtsgewandte Debatten“

Die Delegierten haben jedenfalls viel Gesprächsbedarf. Der Ton bleibt dabei sachlich. Zum Beispiel sagt Stephanie Bernickel, Vize-Chefin der Jusos im Südwesten: „Nach der Wahl eines neuen Landesvorstandes im Oktober 2016 bin ich davon ausgegangen, dass wir einen Neustart mit neuen Ideen sehen werden. Aus meiner Sicht ist bisher nichts dergleichen passiert.“ Die Debatten sind ihr zu rückwärtsgewandt. „Ich will nicht mehr über die Agenda 2010 diskutieren und hören, warum unter Willy Brandt alles noch viel besser war als heute.“

Unmut äußern Delegierte auch darüber, dass sie am Samstag den neuen Antrag präsentiert bekommen und gleich darüber abstimmen sollen. „Es ist unmöglich, dass wir das heute Morgen auf den Tisch kriegen und keine Gelegenheit haben, darüber substanziell zu beraten“, wettert eine Delegierte. Die Parteiführung gelobt Besserung. Im November 2018 soll ein Parteitag die Ergebnisse der Neuaufstellung besiegeln.