Carmen Würth widmet sich besonders Menschen mit Handicap. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Roland Böhm

Künzelsau - „Er hat mich getroffen.“ Die Betonung legt Carmen Würth ganz selbstbewusst auf „er“ und „mich“. Nicht sie hat sich an einem erfolgreichen Unternehmer gehängt, soll das heißen, sondern Reinhold Würth hat sie ins Hohenlohische gelockt. Wo vom Weltkonzern Würth in Gaisbach bei Künzelsau vor mehr als 50 Jahren noch gar nichts zu sehen war. Heute ist das anders. Ganz anders. Und Carmen Würth hat das alles miterlebt - ohne jemals nur „die Frau von“ zu sein. Menschen mit Handicap sind zu ihrer Lebensaufgabe geworden. Heute feiert Carmen Würth ihren 80. Geburtstag.

In Pforzheim geboren zieht die Familie von damals Carmen Linhardt kriegsbedingt recht bald nach Friedrichshafen am Bodensee. Ihr Vater wird zur Zahnradfabrik ZF verpflichtet. Der Krieg rückt immer näher. „Das sind keine schönen Erinnerungen.“ Schließlich flüchtet ihre Mutter mit ihr in die oberschwäbische Einöde. Der Hof „Wildes Ried“ im Nirgendwo zwischen Biberach und Bad Waldsee wird für sie zur Oase.

19 Jahre alt ist sie, als durch einen Zufall Reinhold Würth in ihr Leben tritt. Der junge Schraubenhändler ist auf Verkaufstour in Friedrichshafen. Carmen Linhardt arbeitet inzwischen als Chefsekretärin bei ZF und singt im Kirchenchor. Beim Besuch eines Gottesdienstes fällt dem Unternehmer aus Künzelsau die Frau mit tiefschwarzen Haaren auf. Sein Werben wirkt. Ein halbes Jahr später wird geheiratet.

„Hüterin der Familie“

Ihr Weg führt ins Hohenlohische. Die Firma hat zwei Mitarbeiter. Heute sind es 73 000 weltweit. Erst lebt das Paar bei den Schwiegereltern, später baut es in Gaisbach einen eigenen Bungalow. Wo sich Carmen Würth mit ihren drei zwischen 1958 und 1965 geborenen Kindern ein Gartenparadies schafft, steht heute ein Logistikzentrum des Weltkonzerns. „Das tut mir heute noch weh.“ Als „Hüterin der Familie“ bezeichnet Reinhold Würth (82) seine Frau. Der „Heimathafen“ sei sie, schreibt er in ihrer Biografie. „Und sie hat großen Einfluss auf das Klima des Unternehmens.“ Sylvia Weber, Leiterin der Kunsthallen der Würth-Gruppe, macht bei Carmen Würth eine „bewundernswerte, sehr spontane und herzliche Zuneigung zu den Menschen“ aus. „Ihre besondere Aufmerksamkeit gilt dabei oft gerade denjenigen, die gerne einmal übersehen werden.“

Für Schicksalsschläge wie den frühen Tod ihres Bruders oder ihrer Enkelin Anne-Sophie hat Carmen Würth eine klare Linie. „Entweder man bedauert sich fürchterlich oder man packt an und denkt an die Menschen, um die es geht.“ Als eine Impfung ihren Sohn Markus im Babyalter derart schädigt, dass er geistig behindert bleibt, bringt das für sie eine Wendung. Menschen mit Handicap werden ihre Lebensaufgabe.

Um Barrieren zu überwinden, gründet sie die Stiftung Carmen Würth, arbeitet lange im Präsidium der Special Olympics Deutschland. Im Jahr 2003 eröffnet sie ein Hotel-Restaurant für behinderte und nicht-behinderte Mitarbeiter. „Mit dem Herzen sehen“ ist der Titel ihre Biografie.

Refugium im Jagdschloss

Einen Lebenstraum, eine öffentliche Bibliothek für ihre gesammelten Bücher, hat sie sich kürzlich auch erfüllt. „Sie mussten eine Heimat bekommen.“ Oben am Firmensitz hat ihr Mann ihr ein 60-Millionen-Euro-Geschenk gemacht: ein Kultur- und Kongresszentrum namens Carmen Würth Forum.

Etwas weiter draußen hat das Paar sein Refugium: Bereits in den 70er-Jahren kauften Reinhold und Carmen Würth das Jagdschloss Hermersberg. Idylle pur samt Wald und See. Vermutlich weil die fünffache Großmutter und Ur-Großmutter es so will, ist inzwischen auch der Weltunternehmer immer öfter daheim. „Man muss auch dankbar sein.“