Ein Junge nimmt bei den Hausaufgaben im Fach Mathematik seine Finger zur Hilfe um besser zählen zu können. Foto: dpa

Jahrelang lag Baden-Württemberg in einem Bildungsranking auf Platz vier der Bundesländer. Jetzt rutscht das Land ab. Grund ist auch ein Thema, das schon länger für Diskussionen sorgt.

Stuttgart (dpa/lsw) Baden-Württemberg hat sich bei der Bildung im Vergleich zu anderen Bundesländern verschlechtert. Rang sechs belegt das Land dieses Jahr im «INSM-Bildungsmonitor» und liegt damit zum ersten Mal seit Beginn der jährlichen Auswertung 2004 nicht auf einem der ersten vier Plätze. Die Studie wird vom Institut der deutschen Wirtschaft im Auftrag der arbeitgebernahen «Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft» (INSM) erstellt und ist am Donnerstag in Berlin vorgestellt worden.

Insgesamt hat sich Baden-Württemberg laut der Untersuchung im Vergleich zum Vorjahr leicht verschlechtert, verglichen mit 2013 sogar deutlich. Zu den Problemen in Baden-Württemberg gehörten eine unterdurchschnittliche Ganztagsbetreuung, überdurchschnittlich viele leistungsschwache Schüler in den Klassen vier und neun, überdurchschnittlich viele Schulabbrecher sowie Probleme bei der Integration ausländischer Schüler.

GANZTAGSBETREUUNG: Laut Studie befanden sich 2018 nur 24,5 Prozent der Kinder zwischen drei und sechs Jahren in einer Ganztagsbetreuung - der niedrigste Wert in ganz Deutschland und deutlich unter Bundesdurchschnitt (45,9 Prozent). Auch im Grundschulbereich lag der Anteil der Ganztagsschüler im Jahr 2017 mit 17,7 Prozent deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 41,6 Prozent. Im Sekundarbereich I lieg der Anteil ebenfalls unter dem Durchschnitt.

SCHULABBRECHER: Der Anteil der Schulabbrecher sei von 5,1 Prozent im Jahr 2016 auf 6,6 Prozent im Jahr 2017 gestiegen, heißt es in der Untersuchung. Nur Bremen verzeichnet laut Studienleiter Axel Plünnecke eine stärkere Zunahme.

LEISTUNGSSCHWÄCHE: Wie schon im Bildungsmonitor 2018 fällt der Anteil leistungsschwacher Schüler der vierten und neunten Klassen negativ ins Gewicht. In beiden Klassenstufen verzeichnet Baden-Württemberg überdurchschnittlich große Risikogruppen, also Schüler mit schwachen Leistungen etwa in Deutsch und Mathe oder in Naturwissenschaften. Laut Studienleiter Axel Plünnecke spielt hier auch der gestiegene Anteil an Migranten eine Rolle.

INTEGRATION: Die Quote der Schulabbrecher unter ausländischen Schülern liegt laut Studie mit 19,4 Prozent über dem Bundesdurchschnitt (18,1 Prozent). Unterdurchschnittlich falle hingegen der Anteil ausländischer Schüler aus, die an einer allgemeinbildenden Schule das Abitur erwerben. Hier liegt Baden-Württemberg auf dem 13. Platz. Die soziale Herkunft wirke sich im Südwesten zudem stärker als in den meisten Bundesländern auf die Lesekompetenz von Schülern aus.

DIE STÄRKEN: Trotz der Probleme bescheinigen die Autoren dem Land überwiegend eine sehr gute Bildungsqualität. So blieben im Südwesten kaum Jugendliche ohne einen Ausbildungsplatz, und der Anteil erfolgreich abgeschlossener Ausbildungen sei vergleichsweise hoch. Es gebe viele Hochschulabsolventen, auch aus dualen Studiengängen und den Ingenieurwissenschaften, und die Hochschulen seien attraktiv für ausländische Studierende.

REAKTIONEN: «Wir kennen dieses Verbesserungspotential», teilte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) mit. Man gehe gegen die Ursachen für das Abrutschen vor. Das Ministerium verweist unter anderem auf die Verschiebung des Fremdsprachenunterrichts in Grundschulen zugunsten von Fächern wie Mathe und Deutsch.

Der Bildungsexperte der SPD-Landtagsfraktion, Daniel Born, fordert von der Kultusministerin wirkungsvolle Maßnahmen zum Ausbau von Ganztagsschulen. Auch der Arbeitgeberverband fordert eine Beschleunigung beim Ausbau von Ganztagsplätzen. Das Ministerium verweist hingegen auf die mangelnde Nachfrage. Es sei nicht sinnvoll, Eltern zum Ganztag zu zwingen, teilte Eisenmann mit.

«Die Vorwärtsentwicklung in Baden-Württemberg fehlt», sagte die Landesvorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), Doro Moritz. Sie wirft der Kultusministerin vor, dass man Grundschüler zu wenig individuell fördere. Baden-Württemberg habe von allen Bundesländern die wenigsten Lehrer je Grundschüler.

Anhand von 93 Indikatoren in zwölf Handlungsfeldern bewertet der Bildungsmonitor die Bildungsqualität je Bundesland. Dabei greifen die Autoren auch auf die Daten anderer Studien zurück. Diese können aus verschiedenen Jahren stammen, sind laut INSM aber auf dem aktuellsten verfügbaren Stand.