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Stuttgart (dpa/lsw) - Mit ihren Vorstellungen von mehr Leistung und Frontalunterricht in den Schulen provoziert die CDU den grünen Koalitionspartner und sorgt für Entsetzen bei der oppositionellen SPD. Zwar sind sich Grüne und CDU darüber einig, dass sie nach dem Absacken baden-württembergischer Schüler in bundesweiten Leistungstests die Qualität des Unterrichts verbessern wollen. Jedoch gehen die Meinungen über die nötigen Maßnahmen auseinander, wie am Freitag in Stuttgart klar wurde. Während die CDU das Leistungsprinzip betont und Generalsekretär Manuel Hagel etwa den Frontalunterricht hochhält, halten die Grünen solche Maßnahmen für zu kurz gegriffen.

Grünen-Landtagsfraktionschef Andreas Schwarz sagte in Stuttgart: „Ich bin auch ein klarer Anhänger von Leistung.“ So sei der Frontalunterricht im Südwesten gar nicht abgeschafft worden, auch Diktate würden noch geschrieben. Wer sich aber nur auf Leistung konzentriere, vernachlässige andere wichtige Punkte in der Bildungspolitik. „Konzepte aus der Mottenkiste helfen nicht weiter.“
CDU-Generalsekretär Hagel schlägt in der Bildung die schärfsten Töne an. „Die Zeiten eines überbordenden Laissez-faire in der Bildungspolitik sollten wir hinter uns lassen. Was wir brauchen, ist eine Fokussierung auf Qualität und Leistung“, sagte er der „Südwest Presse“. Er forderte mehr disziplinarische Durchgriffsmöglichkeiten für Lehrer gegenüber auffälligen Schülern.

Weiterbildungsmaßnahmen für die Lehrer sollten auch verpflichtend in Ferienzeiten stattfinden können. „Verpflichtende Diktate sowie verpflichtendes Schönschreiben stärken die Schreib- und Lesefähigkeit der Schüler“, heißt es laut der Zeitung in Hagels Entwurf für die „Schöntaler Erklärung“, die die Südwest-CDU bei ihrer Klausur an diesem Samstag beschließen will.

Die Landeschefin der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), Doro Moritz, hält von Hagels Vorschlägen nichts. „In den bildungspolitischen Vorstellungen der Südwest-CDU fehlt eigentlich nur noch die Forderung nach Einführung der Prügelstrafe.“ Moritz forderte ein Machtwort von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Die CDU habe keine Ahnung vom Alltag in den Klassenzimmern, ignoriere den Rat von Experten und missachte den Koalitionsvertrag.

Moritz empfahl Landtagsabgeordneten, in Schulen vorbeizuschauen. „Vielleicht merken sie dann, dass es für gute Leistungen nicht noch mehr Noten und Vergleichstests, sondern mehr Zeit für gute Rückmeldungen der Lehrkräfte braucht.“ SPD-Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei bezeichnete das Vorgehen des CDU-Generalsekretärs als plump. Es handele sich um reine Klientelpolitik ohne den Anspruch, die Situation an den Schulen verbessern zu wollen. Die SPD hatte von 2011 bis 2016 im Südwesten das Kultusministerium inne.

CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart hält die Bildungspolitik für ein Feld, in dem die Koalition immer wieder miteinander ringen muss. „Da mache ich keinen Hehl draus, dass es da unterschiedliche Ansätze gibt und gegeben hat.“ Es sei ein Irrglaube, zu meinen, dass Schüler in jedem Fach übermotiviert seien. „Wir müssen die Stärken stärken. Aber man kann nicht aus jedem Ackergaul ein Rennpferd machen.“

Die CDU-Fraktion sprach sich dafür aus, die Schulen im Land vom Schuljahr 2018/2019 alle zwei Jahre einer verbindlichen und einheitlichen Qualitätsüberprüfung zu unterziehen. Zudem sollen zentrale Klassenarbeiten in den Kernfächern Deutsch, Mathe, Englisch oder Französisch geschrieben werden - und zwar in den vierten und zehnten Klassen. Grünen-Politiker Schwarz meinte dazu, zentrale Arbeiten könnten eine Maßnahme sein. Ihm habe aber noch niemand erklären können, warum sich damit das Bildungsniveau erhöhen solle.

Ministerpräsident Kretschmann hatte die Bildungspolitik zuvor als den Bereich bezeichnet, in dem sich die grün-schwarze Landesregierung noch einmal „frisch aufstellen“ müsse. Die Probleme, die es in dem Bereich gebe, könnten nicht mit Maßnahmen aus dem grün-schwarzen Koalitionsvertrag gelöst werden. „Da muss man in einen vertieften Dialog treten.“ Weitgehend einig sind sich Grüne und CDU hingegen, Kinder früh auf ihre sprachliche Ausdrucksfähigkeit hin genau zu betrachten und sie gegebenenfalls schon vor der Einschulung gezielt zu fördern. Auch sollen die Lehrer stärker fortgebildet werden - die Schulleiter sollen mehr Zeit für Kernaufgaben bekommen.