Foto: dpa - dpa

Stuttgart (dpa/lsw) - Mit Blumen, Karten und Briefen drücken Stammkunden der Schiller Buchhandlung in Stuttgart der Inhaberin Susanne Martin (59) ihr Bedauern aus. Bedauern über die bevorstehende Schließung. Der Ausverkauf hat schon begonnen. „Es tut mir in der Seele weh, wenn ich jetzt meine Bücher billiger verkaufen muss“, sagt Martin. Sie ist seit 41 Jahren Buchhändlerin und arbeitet seit 27 Jahren in dem Laden, den sie irgendwann selbst übernommen hat und jetzt schließt. „Das gehört nicht zu den Höhepunkten meines Buchhändlerlebens“, sagt sie.

Neben gesundheitlichen Gründen hat auch das schlechter werdende Geschäft den Ausschlag für die Entscheidung gegeben: „Unsere Lage war nicht mehr gut, die Umsätze sind zurückgegangen“, sagt Martin. Ein Einkaufszentrum in der Nähe hat die Laufwege der Menschen verändert, um den Buchladen herum stehen viele Läden leer, es kommt fast keine Laufkundschaft mehr vorbei. Und: „Ohne Laufkundschaft geht's nicht“, sagt Martin. Dabei war ihr Konzept vorbildlich: Sie hat Lesungen veranstaltet und Aktionen an Schulen gemacht, 2016 hat sie den Deutschen Buchhandlungspreis erhalten, demnach ist ihr Laden ein „Ausgezeichneter Ort der Kultur“. Trotzdem geht's nicht weiter.
In Deutschland gibt es nach Angaben des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels rund 6000 Buchhandlungen, Buchhandlungsfilialen und Buchverkaufsstellen (Stand 2016). Der Verband hat 4674 Mitglieder (Stand 2016), ohne Filialen gezählt. 2012 waren es noch 5248 - ein Rückgang von rund elf Prozent.

Auch immer weniger Auszubildende entscheiden sich für den Beruf des Buchhändlers. Die Zahlen gingen sowohl landes- als auch bundesweit um ein Drittel innerhalb von fünf Jahren zurück, wie der baden-württembergische Landesverband des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels mitteilte. Allerdings seien die Ausbildungszahlen in allen dualen Ausbildungsberufen zurückgegangen, heißt es weiter: Der Buchhandel bildet da keine Ausnahme.

Bundesweit haben 2016 insgesamt 1114 Personen die Buchhändler-Ausbildung angefangen, das waren 559 weniger als noch im Jahr 2011 (Minus 33 Prozent). Im Südwesten ist der Rückgang nicht ganz so gravierend: Mit 217 Auszubildenden im Jahr 2016 war lediglich ein Rückgang um 86 Azubis (Minus 28 Prozent) festzustellen.

Das Geschäft wird immer schwieriger, zuletzt ist der Umsatz für stationäre Buchhandlungen um 3 Prozent eingesackt. „Rückläufige Kundenfrequenzen in den Innenstädten und eine zunehmende Medienkonkurrenz machten sich im Buchhandel verstärkt bemerkbar“, sagt der Sprecher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Thomas Koch, über die Entwicklung.
Die Zahl der Buchverkaufsstellen ist nach einer Expansion von Buchhandelsketten Anfang der 2000-er Jahre in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren geschrumpft. Auch bei den kleinen Buchhandlungen mussten dem Verband zufolge zahlreiche Inhaber ihr Geschäft aufgeben, weil kein Nachfolger gefunden wurde.

Die Tendenz zum Bestellen im Internet könnte sich noch verstärken: Dem Online-Monitor 2017 des Deutschen Handelsverbands zufolge gibt es immer weniger traditionelle Handelskäufer. 2017 gehörten nach Angaben des Instituts für Handelsforschung in Köln nur noch 24 Prozent der Deutschen diesem Käufertyp an. Zwei Jahre zuvor waren es noch 31 Prozent.

Die Schuld am schlechteren Geschäft allein Online-Konkurrenten wie Amazon zu geben, hält die Stuttgarter Buchhändlerin Martin für zu billig. Vielmehr sei auch das geänderte Mediennutzungsverhalten eine Ursache. „Wer abends eine halbe Stunde whatsappt oder facebookt oder eine Serie auf Netflix schaut, der hat keine Zeit mehr fürs Buch.“ Senioren, die noch viel lesen, bereiten sich Martins Erfahrung zufolge gedanklich oft schon auf einen Umzug ins Altenheim vor und reduzieren ihren Besitzstand. Neue Bücher haben bei vielen keinen Platz mehr.

Schließungen haben nicht nur Auswirkungen auf die Branche, sondern die gesamte Gesellschaft, sagt der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Alexander Skipis. „Menschen wird der Zugang zu Büchern, zu qualifizierter Beratung und zum Austausch über Literatur erschwert, Städte und Orte verlieren einen Kulturstandort, die Leseförderung leidet.“ Allerdings sei das Buchhandelsnetz in Deutschland im internationalen Vergleich nach wie vor vorbildlich.

„Den stationären Buchhandel wird es noch in 20 Jahren und darüber hinaus geben“, sagt Skipis. Man werde auch dann je nach Bedarf vor Ort kaufen oder online bestellen, sagt er voraus. Die Buchhandlungen rechnen mit diesem Trend: „Etwa zwei Drittel der Buchhandlungen haben einen Online-Shop, über 1500 Läden verkaufen E-Reader und E-Books“, so Skipis.

Zwar eröffnen auch immer wieder neue Buchläden. Und der Verband ist bemüht, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Die Stuttgarter Buchhändlerin Martin rechnet indes mit einem weiteren Rückgang. „Es wird zu einer Konsolidierung an sehr guten Standorten kommen“, sagt sie. Dann werde es im Stuttgarter Südwesten eben nicht mehr fünf, sondern vielleicht nur noch ein oder zwei Buchhandlungen geben.