Ein Papier mit der Botschaft „...und stiftet Frieden zwischen allen Menschen! Unsere Gedanken sind bei den Toten und dessen Angehörigen!" ist bei einer Solidaritätskundgebung anlässlich des Attentats in Halle (Saale) an der Neuen Synagoge Berlin neben Kerzen zu sehen. Foto: dpa

Der Anschlag auf eine Synagoge in Halle hat auch im Südwesten für Bestürzung gesorgt. Die Gewalttat wirft Fragen nach der Sicherheit jüdischer Gemeinden auf.

Stuttgart (dpa/lsw) Mit Bestürzung und Sorge um ihre Sicherheit haben die jüdischen Gemeinden im Südwesten auf den Anschlag in Halle reagiert. Aus der Politik und von den Kirchen kommt viel Solidarität. Die Polizei zeigte auch am Donnerstag verstärkt Präsenz vor jüdischen Einrichtungen. Der badische Landesrabbiner Moshe Flomenmann sprach sich für eine Polizeipräsenz vor Synagogen rund um die Uhr aus.

«Ich fordere, dass Juden beten können, ohne Angst zu haben», sagte Flomenmann. Juden lebten hier und zahlten Steuern und wollten auch beschützt werden. Auch die Gebäude sollten sicherer gemacht werden. In seiner Zeit als Landesrabbiner von Sachsen-Anhalt hatte Flomenmann selbst sieben Jahre in der Synagoge in Halle gearbeitet.

«Wir sind erschüttert und trauern mit den Angehörigen und Freunden der Opfer», teilte der Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden (IRG Baden), Rami Suliman, mit. Dem «Mannheimer Morgen» und der «Heilbronner Stimme» (Freitagsausgaben) sagte er: «In Baden wäre der Täter fast in jeder Gemeinde reingekommen». In Halle war der Attentäter an der verschlossenen Tür der Synagoge gescheitert. Suliman forderte Geld vom Land für die Sicherheitsausstattung wie Personenschleusen, Panzerglas und Kameras.

Auch die Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, Barbara Traub, zeigte sich schockiert. Man müsse die Zunahme der Gewalt gegen jüdische Einrichtungen ernst nehmen, sagte sie im SWR. In Baden-Württemberg gebe es einen engen Austausch mit den Sicherheitsbehörden, aber vor allem in kleineren Gemeinden auch noch Verbesserungsbedarf.

Laut Innenministerium war nach dem Anschlag in Halle vor jeder Synagoge im Land Polizei dauerhaft präsent oder die Häufigkeit von Streifen wurde erhöht. Diese Sicherheitsmaßnahmen hatten auch am Donnerstag noch Bestand, um etwa Nachahmungstaten zu verhindern.

Polizeischutz vor Synagogen sei keine Frage der Kosten, sagte ein Ministeriumssprecher. Wenn dieser erforderlich ist, werde er auch geleistet. Die Gemeinden berieten etwa vor Veranstaltungen mit der Polizei über Sicherheitsmaßnahmen. Mitunter sei dauerhafte Polizeipräsenz aber nicht gewünscht, um nach außen ein Bild der Normalität sicherzustellen.

Für den baden-württembergischen Antisemitismusbeauftragten Michael Blume kam der Anschlag in Halle nicht überraschend. Er habe die Gefahren bereits in seinem Antisemitismusbericht dargestellt, sagte Blume. Die Gefahr eines solchen Anschlags bestehe auch in Baden-Württemberg. Die Zahl der Antisemiten habe im Südwesten nicht zugenommen. Allerdings befördere das Internet die Radikalisierung. «Man peitscht sich in Echokammern hoch», sagte er. Sein Bericht zum Thema Antisemitismus enthält Handlungsempfehlungen für die Politik und stand am Donnerstag im ständigen Ausschuss des Landtags auf der Tagesordnung.

«Was wir jetzt erlebt haben mit dem Anschlag auf die Synagoge in Halle, das muss uns alle aufrühren, es ist sehr ernst», sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Der Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Landtag, Andreas Schwarz forderte Widerstand gegen Antisemitismus: «Das ist unsere gemeinsame Verantwortung.»

Die Staatsministerin für Integration, Annette Widmann-Mauz (CDU), wollte am Donnerstagabend die Gedenkstätte Alte Synagoge in Hechingen (Zollernalbkreis) besuchen. Auch sie forderte erhöhten Polizeischutz und ein «Sonderkabinett für Zusammenhalt und gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit». Baden-württembergische Kirchenvertreter kündigten ebenfalls Solidaritätsaktionen für Donnerstagabend an.

Am Mittwoch hatte ein schwerbewaffneter mutmaßlicher Rechtsextremist am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur versucht, in der Synagoge in Halle/Saale ein Blutbad unter Dutzenden Gläubigen anzurichten. Der 27-jährige Deutsche wollte nach Angaben aus Sicherheitskreisen die Synagoge mit Waffengewalt stürmen, scheiterte jedoch. Der mutmaßliche Attentäter wurde festgenommen, nachdem er vor der Synagoge eine Frau und in einem nahe gelegenen Döner-Imbiss einen Mann erschossen hatte.