Der AfD-Abgeordnete Stefan Räpple. Foto: dpa - dpa

Die AfD sorgt mit Online-Portalen, auf denen Schüler politische Äußerungen von Lehrern melden sollen, weiter für Empörung.

Berlin/Stuttgart (dpa) Nach der Hamburger AfD hat auch die AfD in Baden-Württemberg eine Meldeplattform gegen Lehrer online gestellt. Am Donnerstag schaltete der AfD-Landtagsabgeordnete Stefan Räpple das Portal frei, auf der Schüler Lehrer melden können, die angeblich im Unterricht gegen die AfD hetzen. Auch Studenten können dort Professoren melden. Ihm seien wiederholt «Belege für Hetze gegen die AfD im Unterricht» zugespielt worden, obwohl Lehrer neutral zu sein hätten, begründete Räpple die Aktion gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Die Einrichtung der Meldeplattform sei mit der AfD-Landtagsfraktion abgesprochen. Die Kultusministerkonferenz in Berlin wollte sich am Freitag mit dem Thema befassen.

Anders als bei einer ähnlichen Meldeplattform der AfD Hamburg sollen bei der baden-württembergischen Variante die Namen von Lehrern oder Professoren auch tatsächlich veröffentlicht werden, sagte Räpple. «Das sind öffentliche Personen mit hoheitsrechtlichen Aufgaben.» Allerdings reiche es dafür nicht, einen Lehrer anonym anzuschwärzen. Es müssten Belege vorliegen, etwa Unterrichtsmaterial oder Klausuren, bei denen die Fragen darauf abzielten, die AfD negativ darzustellen. In solchen Fällen wolle man dann gegen die Lehrer vorgehen, etwa mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde.

Portal stößt auf massive Kritik

«Organisierte Denunziation ist ein Mittel von Diktaturen», sagte Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Donnerstag). «Wer so etwas als Partei einsetzt, um missliebige Lehrer zu enttarnen und an den Pranger zu stellen, gibt viel über sein eigenes Demokratieverständnis preis.»

Der Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, Thüringens Ressortchef Helmut Holter, kündigte im Sender SWR Aktuell an, die KMK werde sich bei ihrem Treffen an diesem Donnerstag in Berlin mit dem Thema «Lehrer-Pranger» befassen. Betroffenen Lehrern empfahl der Linke-Politiker, sich an ihr Kultusministerium zu wenden, um zu klären, ob Persönlichkeitsrechte verletzt worden seien. «Dann muss man dagegen anwaltlich vorgehen.»

Auch der Deutsche Lehrerverband sieht im Vorgehen der AfD einen Aufruf, Lehrkräfte zu denunzieren. «Und dann ist es natürlich auch der Versuch, sich selber in eine Opferrolle zu begeben, zu behaupten, dass Deutschlands Lehrkräfte einseitig informieren, ein Einschüchterungsversuch», sagte der Verbandsvorsitzende Heinz-Peter Meidinger am Donnerstag im ZDF-«Morgenmagazin». «Den weisen wir auf das Schärfste zurück.»

Der baden-württembergische Ableger der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) verurteilte die Plattform: «Die AfD will Methoden wie in totalitären Regimen anwenden.» Es gebe genug Positionen in der AfD, die in den Unterricht gehörten. «In der AfD widersprechen Politiker grundsätzlichen demokratischen Werten, die es auch in der Schule zu schützen gilt», sagte die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz. «Darüber ist eine Auseinandersetzung sogar dringend nötig.»

Die Gewerkschaft will ihren rund 50 000 Mitgliedern im Südwesten Unterstützung anbieten, sollten sie von Meldungen auf einer Plattform der AfD betroffen sein. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) hatte bereits am Mittwoch rechtliche Mittel angekündigt, um Lehrer vor dem «geplanten Denunziantentum der AfD» zu schützen.

AfD dürfe kein Tabu im Unterricht sein

Die Geschichts- und Gemeinschaftskundelehrer im Südwesten wollen sich von der AfD ebenfalls nicht beeinflussen lassen. Trotz Neutralitätsgebot müssten Lehrer ihre politische Meinung auch in Zeiten der von der AfD ins Leben gerufenen Internetportale nicht vor dem Klassenzimmer an der Garderobe abgeben, sagte der Vorsitzende des Verbandes (SWL), Roland Wolf, der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten» (Freitag).

«Es ist eindeutig, dass die AfD damit auf die Stammtischhoheit über die Klassenzimmer zielt», sagte Wolf. Natürlich dürften Lehrer eine Meinung haben, und die dürften die Schüler auch kennen. «Wenn wir den Kindern eine eigenständige Urteilsfähigkeit vermitteln wollen, wäre es doch absurd, so zu tun, als hätten ausgerechnet ihre Lehrer keine Ansichten.» Die AfD dürfe kein Tabu im Unterricht sein.

Auch die Arbeitsgemeinschaft für Bildung des SPD-Landesverbands schaltete sich in die Diskussion ein: Man sei davon überzeugt, dass an den Schulen das Neutralitätsgebots gewissenhaft beachtet werde. Zu Neutralität gehörten eine kritische Auseinandersetzung mit politischen Positionen, ein offener und demokratischer Meinungsstreit sowie eine klare Wertevermittlung. Die SPD-Landesvorsitzende Leni Breymaier sagte: «Die AfD will unsere Gesellschaft spalten, sie will ganze Gruppen denunzieren, Denunzianten züchten, sie will den Staat und die Demokratie zerstören.»

Räpple wies die breite Welle der Kritik zurück. Von der «linken Lehrergewerkschaft GEW» habe niemand etwas anderes erwartet. Dass sich konservative Lehrerverbände wie der VBE gegen die Meldeplattform ausgesprochen hätten, verwundere ihn jedoch. «Es gibt dazu noch keine Rechtssprechung, und ich lasse es auch auf jeden Rechtsstreit ankommen.»

Auf dem Lehrerportal News4Teachers werden einige satirische Einträge angeführt, mit denen die Aktion der AfD ins Lächerliche gezogen wird.