Will anderen Patienten helfen: Vanessa Weil. Foto: Handke Quelle: Unbekannt

Von Mareike Spahlinger

Heidelberg - „Ich möchte euch einladen, die nächsten Monate mit mir zu gehen, zu hoffen, zu lachen, zu lieben, zu weinen und zu leben“, schreibt Vanessa Weil auf ihrer Internetseite. Vanessa ist 39 Jahre alt und wird sterben - an Krebs. Wie lange sie noch leben wird, weiß sie nicht. Es ist erst knapp ein halbes Jahr her, als ihre Hoffnung auf Heilung zum dritten Mal zerplatzt ist.

„Aus meiner Krankheit habe ich nie einen Hehl gemacht“, sagt sie. Deshalb geht sie damit an die Öffentlichkeit und will anderen Mut machen. Dafür hat sie ein ungewöhnliches Projekt ins Leben gerufen: „Krebs hat ein Gesicht“. Auf einem Blog bei Facebook und ihrer Internetseite erzählt sie ihre Geschichte. Gleichzeitig verkauft sie einen Fotokalender. 13 Mal wird sie darin ganz unterschiedlich dargestellt. Auf einem der Fotos frisst sie den Krebs symbolisch auf, auf einem anderen hält sie ihn in der Hand. Durch einen Fotografen in der Familie kam der Kontakt zu anderen renommierten Fotografen zustande. In ganz Deutschland war sie in den vergangenen Monaten für Fotoshootings unterwegs. In 14 Wochen standen 13 Fototermine auf dem Plan. „Jedes Bild zeigt eine Seite von mir“, erklärt sie. Es müssten ja nicht immer nur Models auf Kalendern zu sehen sein, sondern auch mal „Menschen wie ich“, betont die 39-Jährige. Im Gespräch mit dem jeweiligen Fotografen haben sich die Ideen zum Bild entwickelt. Erste Fotos können bereits auf der Homepage angeschaut werden. Dort kann zudem der Kalender vorbestellt werden.

Der Erlös des Kalenders kommt ihrem Projekt am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg zugute, wo sie selbst behandelt wird. Dort soll es ein Patenschaftsprogramm für Krebspatienten geben. „Ich habe so viele sterben sehen. Das ist eine Verantwortung und Verpflichtung, noch etwas aus meinem Leben zu machen“, erzählt Weil. Sie selbst habe in den ersten Sitzungen der Chemotherapie immer Begleiter aus dem Freundes- und Bekanntenkreis gehabt. Das will sie anderen Krebspatienten auch ermöglichen. Vor allem zu Beginn sei es eine große Hilfe, wenn man jemanden hätte, der einem ganz simple Dinge zeige, wie etwa die Toiletten - einen Begleiter durch die „unbekannte Krankenhausmaschinerie“, schildert Weil. Sie vergleicht das Ganze mit einem Pauschalurlaub. „Da gibt es auch eine Begrüßungsrunde. Warum sollte es so etwas bei der Heilung nicht geben?“ Paten könnten beispielsweise andere Patienten oder Angehörige von Patienten sein, die sich mit der ganzen Prozedur bereits auskennen.

„So ist es jetzt“

1000 Vorbestellungen für Kalender seien ein toller Erfolg, sagt Weil. Diese wurden bereits in Auftrag gegeben. Das Geld dafür haben ihre früheren Kollegen beim Finanzdienstleister MLP gesammelt. „Das Patenprogramm und der Kalender sind mein Vermächtnis“, betont sie.

Vor zwei Jahren erhielt die Schriesheimerin (Rhein-Neckar-Kreis) nur durch Zufall die Diagnose Dottersackkrebs. Der ist eigentlich heilbar. Nur bei Vanessa Weil ist alles anders. Sie gehört zu den wenigen Menschen, bei denen die Medizin nicht mehr weiter weiß. Immer wieder hat sie Hoffnung auf Heilung. Immer wieder wird diese zerstört. Die Chemotherapie ist für die aktive Frau eine schwere Zeit. Schon bei der Arbeit brauchte sie immer neue Projekte, lernte immer dazu, stieg auf, machte Karriere. Nun das neue Projekt. „Es ist nicht das Leben, das ich mir vorgestellt habe, aber so ist es jetzt“, sagt sie kämpferisch. Viele hätten gefragt, warum sie nicht reise und so die ihr verbleibende Zeit verbringe. „Aber was soll ich da?“, fragt Weil dann. „Das bin nicht ich.“ Sie will ihre Zeit lieber nutzen, um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen, anderen Patienten Mut zu machen, zu ihrer Krankheit stehen. Außerdem will sie Menschen an ihrem Weg teilhaben lassen. „Man darf sich nicht gehen lassen“, sagt sie.

Mit einem kleinen Blog unter Freunden fing alles an. Irgendwann wurde eine Facebook-Seite daraus, die immer mehr Menschen verfolgten. Inzwischen begleiten sie über 6600 Menschen auf ihrem Blog, wo sie über ihre Leben mit der Krankheit, den Höhen und den Tiefen berichtet. „Durch die Krankheit habe ich eine andere Sichtweise auf das Leben bekommen. Mein Alltag ist nicht mehr so durchgetaktet“ , sagt sie. Und sie spüre, dass sie noch eine Aufgabe habe: Dem Krebs ein Gesicht zu geben.

www.krebs-hat-ein-gesicht.de