Bis zu fünf Tage pro Jahr können sich Arbeitnehmer über das Bildungszeitgesetz für Fortbildungen freistellen lassen. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Stuttgart (lsw) - Das Wirtschaftsministerium lässt vom kommenden Herbst an das Bildungszeitgesetz überprüfen - und sorgt damit für Sorgen bei Arbeitnehmern.

Vorgesehen sei eine externe Evaluierung, die nach wissenschaftlichen Maßstäben und transparent nachvollziehbar durchgeführt werden soll, teilte ein Sprecher in Stuttgart mit. Sie soll demnach bis zu einem Jahr dauern. Auf dieser Grundlage will die Regierung entscheiden, was dem Landtag im weiteren Verfahren vorgeschlagen werden soll. Gewerkschaften halten eine Evaluierung für verfrüht und argwöhnen, die Regierung wolle die Bildungszeit auf Druck der Arbeitgeber beschneiden.

Das Bildungszeitgesetz erlaubt Arbeitnehmern in Baden-Württemberg, sich an bis zu fünf Tagen im Jahr für Weiterbildung freistellen zu lassen. Dazu zählt neben der beruflichen auch die politische Weiterbildung ebenso wie die Qualifikation für ein Ehrenamt. Ursprünglich war festgelegt worden, das Gesetz nach vier Jahren zu überprüfen, nun soll das aber schon nach zwei Jahren passieren. Darauf hatte sich die grün-schwarze Regierung nach ihrem Antritt verständigt. „Aus meiner Sicht kann man da keine abschließende Bewertung abgeben“, sagte der Landeschef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Martin Kunzmann. Ein solches Gesetz müsse in den Betrieben erst einmal durchdringen, die Bildungszeit müsse beworben werden, die Menschen müssten sich damit auseinandersetzen.

„Fundament der Demokratie“

Verdi-Landeschef Martin Gross sagte: „Die Landesregierung und vor allem die Arbeitgeber betreiben bei der Diskussion um das Bildungszeitgesetz bisweilen einen regelrechten Glaubenskrieg. Das Bildungszeitgesetz wird ideologisch abgelehnt, die Sachfragen erklären das Ausmaß der Ablehnung in keinster Weise.“ Es sei wichtig, dass die politische Bildung und auch die Weiterbildung im Ehrenamt Bestandteil des Gesetzes blieben. „Politische Bildung gehört zum Fundament unserer Demokratie. Das ist die Lehre aus vielen Wahlen der letzten Jahre, hier und anderswo“, sagte er.

Vor allem die politische Bildung ist auch dem DGB wichtig. Kunzmann sagte, er sei enttäuscht, dass Grün-Schwarz diese Herausforderung nicht sehe. „Aus meiner Sicht ist das ein klarer Kniefall, ein Einknicken bei den Koalitionsverhandlungen gegenüber der Wirtschaft - da habe ich überhaupt kein Verständnis.“ Der DGB kritisiert auch, dass es keinen Beirat geben soll, der die Evaluierung begleitet. An ein Ergebnis zugunsten der Bildungszeit glaubt Kunzmann nicht. „Wenn man’s nicht verändern wollte, dann hätte man es auch gar nicht aufgegriffen.“

Die SPD teilte die Bedenken der Arbeitnehmervertreter. Die Evaluation komme viel zu früh und könne echte Wirkungen der Bildungszeit noch nicht erfassen, kritisierte Fraktionsvize Stefan Fulst-Blei gestern. Weiterbildung sei ein Schlüssel zur Bewältigung des digitalen Wandels. „Da wäre es geradezu töricht, beim Bildungszeitgesetz als Errungenschaft für arbeitnehmerbestimmtes lebenslanges Lernen den Rückwärtsgang einzulegen.“ Er appellierte an die Grünen, sich beim Bildungszeitgesetz nicht „von der CDU nicht über den Tisch ziehen zu lassen“.

Grünen-Fraktionsvize Andrea Lindlohr bezeichnete die Überprüfung als sinnvoll, betonte aber die Bedeutung des Gesetzes: „Wenn die Arbeitnehmer sich weiterbilden in den Themen, die vielleicht nicht schon heute, sondern erst morgen im Berufsleben auf sie zu kommen, ist das gut für unseren Wirtschaftsstandort.“ FPD-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke plädierte hingegen dafür, das Bildungszeitgesetz komplett abzuschaffen. Es handle sich um ein Bürokratiemonster, das die Wirtschaft unnötig belaste und die Beschäftigten nicht weiterbringe, sagte er.