Das Auto bedeutet ein Stück Freiheit. Wann aber ist der richtige Zeitpunkt, den Wagen stehen zu lassen? Foto: picture alliance/dpa - picture alliance/dpa

Im Alter kann die Fahrtauglichkeit nachlassen. Das wissen auch viele Seniorinnen und Senioren. Dennoch gibt fast niemand freiwillig seinen Führerschein ab.

CannstattIn anderen europäischen Ländern ist es absolut üblich, sich ab einem gewissen Lebensalter regelmäßig auf Fahrtauglichkeit untersuchen zu lassen. In Deutschland setzt die Politik auf die Vernunft der Menschen oder Anreize wie kostenlose Jahreskarten für den Nahverkehr für alle, die den Führerschein freiwillig abgeben. So auch der Landkreis Ludwigsburg. Wer Anspruch auf ein Seniorenticket des Verkehrsverbunds Stuttgart (VVS) hat und seinen Führerschein freiwillig beim Landratsamt abgibt, bekommt seit 2015 das VVS-Ticket für ein Jahr gratis. Bis März 2019 haben das Angebot nach Angaben der Behörde 2013 Bürger genutzt.

Der Kreis Esslingen will jetzt offenbar das Modell dem Kreistag zur Nachahmung empfehlen. In Böblingen, Waiblingen und vor allem auch in Stuttgart war damals das „Gratis-VVS-Ticket“ noch kein Thema: Mit eine Grund: Der Landeshauptstadt sei die VVS-Tarifzonenreform zum 1. April wichtiger, so eine Sprecherin im Stuttgarter Rathaus: „Die Reform bedeutet, dass quasi alle günstiger mit Bus und Bahn fahren.“

Ein halbes Jahr nach Einführung der Reform steht man dem Thema aufgeschlossener gegenüber. „Die Einführung eines kostenlosen ÖPNV-Seniorentickets gegen Abgabe des Führerscheins wird diskutiert“, verrät Matthias Franke von der Führerscheinstelle des Ordnungsamtes. Die Gespräche laufen und vielleicht wird das Thema bereits Gegenstand in den anstehenden Haushaltsberatungen. Was die freiwillige Abgabe des Führerscheins von älteren Menschen angeht, so habe er keine Zahlen parat. Fakt ist: Es finde so gut wie nicht statt.

Angehörige gefordert

Doch wie gehen jetzt Angehörige von älteren Autofahrern damit um, wenn ihre Eltern uneinsichtig sind? Muss erst etwas passieren, damit der Vater oder die Mutter das Auto stehen lässt? Rechtlich geregelt sind solche Fragen in der Fahrerlaubnis-Verordnung. Hier steht eindeutig, dass die Fahrerlaubnisbehörde jemandem, der sich aus gesundheitlichen Gründen als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, den Führerschein entziehen muss. Die Fahrerlaubnisbehörde kann bei begründeten Hinweisen auf Eignungszweifel eine Untersuchung veranlassen. Diese können von der Polizei im Rahmen einer Unfallaufnahme stammen.

Anhaltspunkte dafür können auch von Angehörigen kommen oder ärztliche Atteste sein. Diese werden jedoch laut den Behörden selten vorgelegt. Nach gut begründeten Hinweisen wird dann ein Verfahren zur Überprüfung der Fahrerlaubnis eingeleitet und ein Gutachten angeordnet. Das besteht aus Untersuchungen bei einem Facharzt mit verkehrsmedizinischer Qualifikation und aus Leistungsbefunden wie Reaktionsfähigkeit, Orientierung, Aufmerksamkeit, Belastbarkeit, Wahrnehmung oder Fahrverhaltensbeobachtungen mit Fahrlehrer und TÜV-Sachverständigen. Nur bei eindeutigen Eignungsmängeln ist die Fahrerlaubnis ohne vorheriges Gutachten zu entziehen. Sonst gilt für alle Verkehrsteilnehmer die Eigenverantwortung.

Eine weitere Frage wird ebenfalls oft diskutiert: Ist jemand, der aufgrund altersbedingter Fahrfehler einen Unfall hat, überhaupt noch versichert? Ulrich Augsten, der seit mehr als 30 Jahren im Versicherungsgewerbe tätig ist und eine Agentur besitzt sagt, dass der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft jedes Jahr die Unfallstatistiken auswerten lässt. „Die Ergebnisse sind eindeutig: zwischen 18 und 25 gibt es eine hohe Schadenquote, danach sinkt die Schadenshäufigkeit.“ Ab 65 steige sie wieder und Menschen über 75 haben die gleiche Schadenquote wie Anfänger. Die Versicherer reagieren, indem von Älteren höhere Versicherungsbeiträge verlangt werden. „Die meisten haben so viele schadensfreie Jahre, da fällt das kaum ins Gewicht“, so Augsten, der ältere Kunden jedoch beruhigen kann: „Versichert sind sie auf jeden Fall – auch, wenn sie durch Medikamente oder Gebrechen in ihrer Fahrtüchtigkeit eingeschränkt sind“, so der Experte.

Wer mit einer gültigen Fahrerlaubnis unterwegs sei, dem bezahle die Versicherung meistens anstandslos den Schaden. Die Kasko-Versicherung kann dagegen bei grober Fahrlässigkeit die Leistung verweigern. Das sei jedoch immer Auslegungssache und schwer nachzuweisen. Fakt ist: Die Versicherungen bestehen bei Autoversicherungen nicht auf Gesundheitschecks. Laut der Verkehrsunfallstatistik des Polizeipräsidiums Stuttgart für das Jahr 2018 steht fest: Autofahrer, die älter als 65 Jahre sind, bauen nicht mehr Unfälle als jüngere. Im Jahr 2018 waren es insgesamt 1370, was einen minimalen Rückgang gegenüber 2017 (1379) bedeutete. Zum Vergleich: Bei jungen Erwachsenen waren es laut Statistik 1388 Unfälle (2017: 1462). Neben regelmäßigen Kontrollen ist es der Polizei natürlich wichtig, die älteren Verkehrsteilnehmer fit für die Straße zu halten – und zwar mit Hilfe von Prävention.

Hilfe beim täglichen Einkauf

Vielleicht würden manche Senioren das Auto gerne häufiger stehen lassen, wissen aber nicht, wie sie ohne Fahrzeug ihre alltäglichen Besorgungen bewältigen sollen. Barbara Raab-Löffler ist Mitarbeiterin eines Pflegestützpunktes und kennt sich mit allen Aspekten des Älterwerdens aus. Sie rät Angehörigen und Nachbarn, den Senioren den Abschied von der eigenen Mobilität leicht zu machen, indem sie ihre Hilfe bei Einkäufen oder Besuchen anbieten. Alternativen gibt es viele, wenn man sie erst kennt. Pflegedienste bieten zudem Fahrten für Menschen mit Pflegestufe an, liegt ein Grad der Behinderung vor, gibt es ebenfalls Möglichkeiten, beispielsweise an verbilligte Nahverkehrstickets zu kommen oder Taxischeine zu erhalten. Lieferdienste von Geschäften und Apotheken können die Einkäufe und Medikamente nach Hause bringen. Haben Angehörige Bedenken wegen der Fahrtüchtigkeit, sieht Raab-Löffler die Hausärzte als erste Ansprechpartner. „Sie sollten mit den Leuten reden, ihnen ihre Bedenken aus medizinischer Sicht darlegen und auf die Folgen hinweisen.“ Im Falle eines Falles können sie der Führerscheinstelle melden, wenn sie jemanden nicht für fahrtauglich halten. Das ist jedoch eine schwierige Entscheidung für die Mediziner, da hier die Schweigepflicht betroffen ist. Besser ist es natürlich, wenn eine Lösung gefunden wird, mit der alle Beteiligten gut leben können.

Fahrtraining für Senioren

Sicherheits-Check: Für ältere Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer gibt es verschiedene Angebote des ADAC, um sich fit für den Verkehr zu halten. Der Fahr-Sicherheits-Check mit Fahrschulen vor Ort: Ein Fahrlehrer begleitet den Fahrer im eigenen Auto. Danach werten sie die Fahrt gemeinsam aus und der Fahrlehrer spricht eine Empfehlung zur weiteren Teilnahme am Straßenverkehr aus.

Ernstfall: Das Generation-Plus-Training ist auf ältere Fahrer ausgerichtet. Die Teilnehmer lernen das Verhalten und die Grenzen ihres Fahrzeuges kennen. Zudem üben sie Gefahrensituationen, um im Ernstfall richtig zu reagieren.

Mobil bleiben: Die Veranstaltung Sicher mobil vermittelt Kenntnisse und Fähigkeiten, die es ermöglichen sollen, lange und sicher mobil zu bleiben.