Der Nachbarschaftsladen „Plattsalat“ im Sparrhärmlingweg hat im vergangenen Jahr zugemacht. Foto: Rehberger - Rehberger

Seit dem Aus des Bioladens im Sparrhärmlingweg im vergangenen Jahr ist der Birkenäcker im Hallschlag ohne Einkaufsmöglichkeit, die gut erreichbar ist – für ältere Bewohner ein großes Problem.

Bad Cannstatt Wolfgang Müller schüttelt den Kopf. „Die Versorgung hier ist eine Katastrophe.“ Mit „hier“ meint er das Wohngebiet Birkenäcker auf dem Hallschlag. Und mit „Versorgung“ die Möglichkeit, in fußläufiger Entfernung Lebensmittel für den täglichen Bedarf einzukaufen. Denn im Herbst vergangenen Jahres schloss der Bioladen „Plattsalat“ im Sparrhärmlingweg. Zu kaufen gab es da alles, was zum Leben und im Haushalt benötigt wird. Der Nachbarschaftsladen wollte einen Beitrag zu einem lebendigen Stadtteil leisten, als Ort der zufälligen Begegnung, des Informationsaustauschs und als schwarzes Brett fungieren. Knapp neun Jahre lang hat das funktioniert. Für die Bewohner im Birkenäcker sind die Wege jetzt weiter geworden.

Im Römerkastell, an der Bottroper Straße und in der Burgholzstraße gibt es Einkaufsmöglichkeiten. Zu Fuß ein weiter Weg. Dafür sind öffentliche Verkehrsmittel oder gar ein Auto vonnöten. „Für ältere Bewohner im Birkenäcker ist das sehr beschwerlich“, sagt Wolfgang Müller, der in der Mannheimer Straße wohnt. „Um uns herum werden nur Büros gebaut, aber kein Laden.“ Das Wohngebiet sei total abgehängt. Müller weiß um die Probleme von kleinen Läden. Wer nur dort einkauft, wenn etwa Butter, Milch oder ähnliches benötigt wird, trägt nicht zum Überleben des Einzelhändlers bei – das Los von Tante-Emma-Läden. Müller wäre auch schon froh über eine Bäckerei mit Café, in dem man auch Nachbarn trifft, Kommunikation pflegen kann. Der Birkenäcker steht mit seinem Versorgungsproblem nicht allein. Und die Stadtverwaltung weiß davon und hat reagiert.

Mit einer „Richtlinie zur Revitalisierung von Ladenlokalen in Geschäftsstraßen“ will die Stadt jetzt gezielt die Stadtteilzentren Bad Cannstatt, Feuerbach, Untertürkheim, Vaihingen, Weilimdorf und Zuffenhausen fördern. Dies hat der Gemeinderat im Dezember beschlossen. Denn mehrere Stadtteilzentren weisen erhebliche funktionale Defizite und auch so genannte „Trading-Down-Prozesse“ auf, das bedeutet leerstehende Läden, erhöhte Fluktuation, Billiganbieter und das Vordringen von Spielhallen, Wettbüros und Gastronomiebetrieben, die Vergnügungsstätten ähneln. Mit der negativen Entwicklung ist langfristig nicht nur die Versorgung des jeweiligen Stadtteils mit Waren und Dienstleistungen gefährdet, sondern auch dessen gesellschaftliche und kulturelle Mitte. Mit der städtischen Förderung sollen Einzelhandel, Dienstleistung und im Einzelfall auch Gastronomie erhalten und möglichst zurückgewonnen sowie die Geschäftsstraßen gestärkt werden. Dabei kann es sich um bauliche Maßnahmen handeln, mit denen ein Leerstand, eine ungeeignete Nutzung oder vorhandene Mängel behoben werden können.

Generell werden vorrangig Maßnahmen gefördert, die einen besonderen Mehrwert für das Stadtteilzentrum beziehungsweise ein innovatives Konzept verfolgen. Das Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung arbeitet zurzeit gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung an einem Leitfaden, der Detailfragen regelt und als Orientierungshilfe für Antragsteller dient. Ob sich dabei auch die Situation für die Anwohner im Birkenäcker verbessert, bleibt abzuwarten. Wolfgang Müller muss sich weiter gedulden.