Der damalige Cannstatter FDP-Chef Hans Manfred Roth (rechts) hatte den FPÖ-Chef Jörg Haider in den Kursaal eingeladen, ... Archiv Fotos: CZ Quelle: Unbekannt

(ede) - Dieser Auftritt hat enorme Wellen geschlagen. Am 7. September 1992 war der damalige FPÖ-Chef Jörg Haider auf Einladung der Cannstatter FDP im Kursaal Redner bei der Podiumsdiskussion „Liberale Perspektiven für Europa“. Der eloquente Rechtsaußen der Freiheitlichen Partei Österreichs hatte für ein Großaufgebot der Polizei und etwa 1000 Demonstranten vor dem Kursaal gesorgt. Sein Auftritt war auch in der FDP umstritten. Hans Manfred Roth, der damals Chef der Cannstatter Liberalen war, wurde gar zum Rücktritt aufgefordert - von FDP-Landeschef Roland Kohn. Der Landesverband hatte der Cannstatter FDP Fahnen und Transparente zum Schmücken des Kursaals verwehrt. „Wir mussten über die Bundes-FDP bestellen“, berichtete Roth.

128 Journalisten und sieben TV-Teams hatten sich angemeldet. Die 650 Gäste mussten sich strenger Kontrollen unterziehen und während der Wartezeit vor dem Kursaal auch noch die Schmährufe der Demonstranten ertragen. Der Kärtner Haider, der am 11. Oktober 2008 bei einem Autounfall ums Leben kam, polarisierte. Er wurde bewundert und angefeindet. Kritisiert wurden seine ausländerfeindlichen Wahlkampagnen. 1999 etwa hieß es „Stopp der Überfremdung“. 1989 wurde er zum Landeshauptmann von Kärnten gewählt. Nach einem Misstrauensantrag verlor er dieses Amt 1991 wieder. Anlass für den Misstrauensantrag war eine Äußerung Haiders in einer Debatte über Arbeitslosigkeit im Kärntner Landtag am 13. Juni 1991: „Na, das hat’s im Dritten Reich nicht gegeben, weil im Dritten Reich haben sie ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht, was nicht einmal Ihre Regierung in Wien zusammenbringt. Das muss man auch einmal sagen.“ Später entschuldigte er sich für diese Äußerung.

20 Organisationen hatten sich zum „Aktionsbündnis gegen den Auftritt von Jörg Haider“ zusammengeschlossen. Verhindern konnten sie sein Kommen nicht. Am Abend gab es zunächst eine Gegenveranstaltung auf dem Marktplatz. Danach zogen 800 Demonstranten mit Transparenten „Gegen Biedermänner und Brandstifter - nie wieder Deutschland“ zum Kursaal, wo weitere Haider-Gegner warteten. Die Polizei sprach nach der Veranstaltung von mehr als 1000 Demonstranten. Hubschrauber waren im Einsatz. Ein Großaufgebot an Polizei verhinderte das befürchtete Chaos.

Bei der Gegenveranstaltung auf dem Marktplatz war auch der ehemalige KZ-Insasse und Ehrenvorsitzende der Vereinigten und Verfolgten des Naziregimes Alfred Hauser. Er zeigte Unverständnis über den massiven Polizeieinsatz. Die Demonstranten bezeichneten den Cannstatter FDP-Chef Roth als „Möchtegern-Gauleiter“, der wie Haider die „Beschäftigungspolitik im Dritten Reich für gut befindet“.

Haider reagierte amüsiert. „Das Brimborium um einen österreichischen Provinzpolitiker verstehe ich nicht“, sagte er den Zuhörern im Kursaal, konnte sich einen Seitenhieb auf die Demonstranten nicht verkneifen. „Das ist ja eher eine bescheidene Versammlung vor dem Lokal. Kommunisten und Linke sind wohl auch nicht das, was sie mal waren.“ Als Haider den Saal betrat, störten etwa zehn junge Männer und Frauen den Einzug mit Rufen wie „Nie wieder Nazi-Faschismus“ oder „Nazis raus“. Sie hatten sich als Vertreter einer Schülerzeitung Zugang verschafft und wurden von Ordnern des Saales verwiesen.

Auch draußen wurde es kurzzeitig brenzlig. Die Polizei hatte einen Kessel um 250 Demonstranten gebildet. Manche hatten sich vermummt, um nicht von Polizeikameras gefilmt zu werden. Es blieb aber ruhig, was bei allen Beteiligten für Aufatmen sorgte. Selbst Hans Manfred Roth, ein Mann mit Elefantenhaut, gab zu: „Das war zu viel für uns.“