Die Marmorierte Baumwanze wurde aus Ostasien über Nordamerika nach Europa eingeschleppt. Foto: Schumacher - Schumacher

Seit drei Wochen können Anwohner der Schmidener Vorstadt ihre Balkone nicht mehr nutzen. Der Grund: Baumwanzen. Wegen des hohen Früchte-Ertrags haben sich die Tiere ausgebreitet.

Bad Cannstatt Seit vier Wochen können Anwohner der Schmidener Vorstadt ihre Balkone nicht mehr nutzen. Der Grund: Baumwanzen. „Wir sammeln die Tiere flaschenweise ein“, sagt eine Anwohnerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Mindestens 50 Tiere täglich. Und dabei ist Vorsicht geboten: Denn sobald sich die Tiere bedroht fühlen, sondern sie ein stinkendes Sekret ab.

Täglich ab der Mittagszeit, sobald die Sonne auf den Balkon in der Schmidener Vorstadt scheint, krabbeln die Wanzen die Brüstung empor in Richtung Tür. Ihr Ziel: ein warmes Plätzchen zum Überwintern. „Denn mit der kühleren Jahreszeit suchen die Tiere die Wärme von Hauswänden und ein geschütztes Versteck für die kühlen Nächte“, sagt Claus Wurst vom Naturschutzbund (Nabu).

So viele Wanzen wie in diesem Jahr hatte sie noch nie auf ihrem Balkon, sagt die Anwohnerin. Natürlich sei auch in den vergangenen Jahren immer mal eine Grüne Stinkwanze über den Boden gekrabbelt, doch die braunen Wanzen seien ihr noch nie aufgefallen. Bei diesen Tieren handelt es sich um die Marmorierte Baumwanze. Diese stammt aus Ostasien und wurde über Nordamerika nach Europa eingeschleppt. „Von der Schweiz aus erobert sie derzeit Süddeutschland“, sagt Wurst. Weil sich die Tiere von Früchten ernähren und an Äpfeln saugen, war 2018 für die Wanzen ein gutes Jahr. „Durch den hohen Fruchtertrag hatten sie genügend Nahrung und konnten sich ausbreiten.“ Außerdem hat der warme Sommer zu einem hohen Vorkommen der Wanzen beigetragen, da mehr Insekten als üblich überlebt haben.

Das Problem mit den Wanzen ist deshalb keineswegs nur eines der Schmidener Vorstadt. Auch andere Stuttgarter Stadtteile wie etwa der Hallschlag oder Kaltental sind betroffen. Zwar beißen oder stechen die Tiere nicht und sind für den Menschen ungefährlich, viele ekeln sich dennoch vor den Insekten. Was kann gegen die Wanzen getan werden? „Außer dem Absammeln gibt es keine geeignete Methode, sie loszuwerden“, sagt Wurst. Zwar sind es nur wenige Wochen im Jahr, in denen die Insekten auffällig werden. Doch wer angesichts der milden Temperaturen dieser Tage gerne Zeit auf dem Balkon oder der Terrasse verbringt, ärgert sich über das große Krabbeln. Von einer Bekämpfung mit Gifteinsatz rät der Experte jedoch ab. Die meisten chemischen Mittel sind nicht besonders wirksam oder sollten wegen der enthaltenen Schadstoffe nicht eingesetzt werden.

In Nordamerika, wo die Wanze in den 1990er Jahren eingeschleppt wurde, wird zur Zeit übrigens an einer biologischen Bekämpfungsmaßnahme geforscht. Untersuchungen im Ursprungsgebiet der Wanze zeigten, dass eine Vermehrung durch eine kleine Wespe verhindert werden kann. Die legt ihre Eier in die Eier der Wanzen. Die Larven der Wespen fressen dann die Eier der Wanzen von innen aus. Nach zwei bis drei Wochen schlüpfen aus den Wanzeneiern anstelle der Jungtiere – im Fall der Wanzen Nymphen genannt – Wespen, die sich auf die Suche nach neuen Wanzeneiern machen.

Die Angst, dass sich die Tiere während der Wintermonate im Mauerwerk vermehren, ist übrigens unbegründet. „Außer sich an der Fassade zu wärmen, haben die Tiere nichts anderes im Sinn“, sagt Wurst.