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Müssen Mieter nach einer schlechten Sanierung mit dem „Baupfusch“ leben? Nein, ein Urteil des Amtsgerichts Bad Cannstatt hat in solchen Fällen die Position des Mieters gestärkt.

Bad CannstattImmer wieder müssen sich Mieter erst mehrfach bei ihren Vermietern beschweren, bis diese Mängel oder Schäden an ihrem Eigentum beseitigen. Doch oft bleibt die Sanierung Stückwerk und die Mieter müssen mit dem „Pfusch“ leben. Doch ein Urteil des Amtsgerichts Bad Cannstatt hat in solchen Fällen die Position des Mieters gestärkt.

Familie Johannes C. wohnte seit vielen Jahren in einem 1960 erbauten Dreifamilienhaus in Cannstatt. Dann wurden die alten Fenster durch moderne Isolierglasfenster ausgetauscht. Die Freude der Familie währte nur kurz, wenige Wochen nach dem Austausch trat im Bad der erste Schimmel auf. Die Mieter waren besorgt, denn d Schimmel breitete sich nach und nach in der gesamten Wohnung aus.

Mithilfe des Mietervereins forderte Johannes C. im Januar 2017 vom Vermieter, den Mangel unverzüglich zu beheben. Dieser reagierte mit Unverständnis und behauptete sogar, die Mieter hätten nicht ausreichend geheizt und gelüftet. Deshalb sollten die Mieter innerhalb von sechs Wochen „die selbst verschuldete Schimmelproblematik beseitigen“. Andernfalls werde ihnen gekündigt. Die Familie wandt sich an den Mieterverein. Dessen Architektin stellte fest, dass bauliche Ursachen für die Schimmelbildung verantwortlich waren. Die Mieter konnten nur die oberflächlich sichtbaren Schimmelsporen abwischen, nicht aber beseitigen. Der Vermieter kündigte daraufhin der Familie im Juli 2017 fristlos.

Mit inzwischen rechtskräftigem Urteil wies das Amtsgericht Bad Cannstatt am 14. März dieses Jahres (Aktenzeichen C 1007/18) die Räumungsklage des Vermieters ab. Der gerichtlich bestellte Gutachter schloss sich der Stellungnahme von Mieteranwalt Markus Wüst an, dass die Ursache des Schimmels nicht in einem falschen Lüftungsverhalten liege, sondern baubedingt sei. Weil der Wärmeschutz von neuen Isolierglasfenstern deutlich besser sei als der Wärmeschutz der alten Außenwand, schlage sich die Luftfeuchtigkeit in den Räumen an den Problemzonen der Außenwand nieder. Zudem sei wegen der luftundurchlässigen Fensterfugen der Luftaustausch erheblich geringer. Deshalb sei der alleinige Einbau von Isolierglasfenstern, ohne auch den Wärmeschutz der Außenwände zu verbessern, als Schimmelpilzrisiko zu werten. „Diese technische Fehlplanung ist dem Wohnungsmieter nicht anzulasten“, schlussfolgerte der Gutachter.

Dem schloss sich das Gericht in seiner Begründung zur Abweisung der Räumungsklage an: „In Anbetracht der hohen Schadensquote für den Schimmelbefall nach Fenstererneuerung sei festzustellen, dass der alleinige Austausch von Fenstern bei älteren, schlecht gedämmten Gebäuden riskant sei und nicht selten Schimmelpilzschaden nach sich ziehe.“ Da der Schimmel auch Bauart bedingt sei, sah das Gericht die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung für nicht gegeben an.

Rolf Gaßmann, Chef des Mietervereins, nimmt dieses Urteil zum Anlass, die Vermieter vor technischer Fehlplanung beim alleinigen Fenstertausch zu warnen. „Die Vermieter können von ihren Mietern nicht mehr ein in der Praxis of undurchführbares Lüftungsverhalten verlangen“, so Gaßmann