Die Cannstatter Grünen fordern schon seit Jahren eine Temporeduzierung für die Waiblinger Straße. Foto: Nagel Quelle: Unbekannt

Von Uli Nagel

Die Forderung der Cannstatter Grünen, auf lärmintensiven Hauptverkehrstraßen wie der alten B 14 zwischen dem Wilhelms- und Augsburger Platz ein Tempolimit einzuführen, hat eine reelle Chance auf Umsetzung. Da hier nachts ein Grenzwert von 60 Dezibel überschritten wird, könnte die viel befahrene Straße laut dem Umweltamt Bestandteil eines Gutachtens sein, das 2018 im Technikausschuss diskutiert werden soll.

Neben Abgasen gehört Lärm zu den vom Menschen verursachten Umweltbeeinträchtigungen, die zu den größten Belästigungen führen und schlimmstenfalls sogar die Gesundheit schädigen. Laut einer Umfrage des Umweltbundesamts fühlen sich 54 Prozent der Deutschen durch Straßenverkehrslärm belästigt, 23 Prozent klagen über zu laute Flugzeuge und 34 Prozent fühlen sich von Stadtbahn- oder Zuggeräuschen gestört. Straßenverkehr ist also der größte Störfaktor - auch an den bewohnten Hauptverkehrsadern in Bad Cannstatt wie etwa der Waiblinger Straße.

Die Bezirksbeiratsfraktion der Grünen haben deshalb bereits im Frühjahr 2017 im Rahmen des Lärmaktionsplanes Stuttgart gefordert, an viel befahrenen Straßen zumindest abschnittweise ein überwachtes Tempolimit einzuführen. Betroffen wären die Schmidener Straße von der Daimler- bis zur Lehmfeldstraße, die Waiblinger Straße zwischen Wilhelms- und Augsburger Platz, die König-Karl-Straße sowie der Straßenzug Schöne-, Bad-, Überkinger und Brunnenstraße. Bisher sind hier 50 Stundenkilometer erlaubt.

Laut Straßenverkehrsordnung kann die Stadt Stuttgart zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen, die von Kraftfahrzeugen verursacht werden, niedrigere Geschwindigkeiten als die innerortsüblichen 50 Stundenkilometer anordnen. Das hat dazu geführt, dass OB Fritz Kuhn an etlichen Steigungsstrecken - etwa in der Hohenheimer Straße - Tempo-40-Schilder hat anbringen lassen. Weitere folgten und bis zum Jahresende soll an 15 Straßen und Straßenabschnitten diese Geschwindigkeitsbegrenzung gelten.

Doch die Pläne von Stuttgarts OB in Sachen Tempolimit gehen weiter und sollen im kommenden Jahr an acht weiteren Straßen umgesetzt werden. Das von Kuhn vorgeschlagene Maßnahmenpaket würde in den nächsten beiden Jahren knapp 1,4 Millionen Euro kosten. Über die Investition streitet der Gemeinderat derzeit - in der dritten Lesung des Doppelhaushalts 2018/2019 wird sogar eine Kampfabstimmung erwartet.

Tempo 40 - schön und gut, wird allerdings für eine nachhaltige Reduzierung des Lärmpegels in den genannten Cannstatter Straßenzügen nicht ausreichen. Diese Meinung brachten die Cannstatter Grünen bereits in ihrem Antrag zum Ausdruck. „Wir sehen uns bestätigt“, sagt Grünensprecher Peter Mielert. Denn die Behörde plädiert, da die Lärmwerte hier mehr als 60 Dezibel erreichen, für die Einführung von Tempo 30 - nachts wohlgemerkt. Als erster Schritt wird jetzt ein Gutachten auch die rechtliche die Umsetzbarkeit klären. Sobald die Zahlen und Fakten vorliegen, soll das Thema im Ausschuss für Umwelt und Technik diskutiert werden. Allerdings wird das Gutachten aus finanziellen Gründen zunächst auf einzelne Stadtteile beschränkt werden. „Was jetzt noch fehlt, sind Messungen in der Nürnberger Straße“, so Mielert. Gerade von den dort wohnenden Neu-Cannstattern habe es Kritik wegen des nächtlichen Lärms gegeben, den Autofahrer auch bei Überholmanövern verursachen.

Hintergrund

Lärm macht krank. Das hat die Wissenschaft längst bewiesen. Eine dauerhafte Belastung bei Pegeln von 60 bis 65 Dezibel, wie sie an Hauptverkehrsstraßen üblich sind, kann über lange Zeiträume hinweg zu Bluthochdruck und Herz-Kreislauferkrankungen und schließlich in einigen Fällen zu Herzinfarkt und Tod führen. Weiter sind psychische Beeinträchtigungen wie Stressreaktionen, Schlaf- und Kommunikationsstörungen möglich. In Baden-Württemberg sind allein durch den Straßenverkehr etwa 250 000 Menschen Lärmpegeln von 65 Dezibel und mehr ausgesetzt. Auch im Neckartal ist Straßenverkehr der Lärmverursacher Nummer eins. Laut dem Amt für Umweltschutz sind insgesamt in Stuttgart knapp 37 000 Menschen nachts mit mehr als 55 Dezibel belastet, 15 000 sogar mit mehr als 60 Dezibel. Bezogen auf Stadtbezirke und Einwohnerzahl der Neckarvororte liegt Hedelfingen mit 9,8 Prozent vor Wangen (8,0) und Bad Cannstatt (6,8). Von nächtlichem Eisenbahnlärm mit mehr als 55 Dezibel sind am meisten betroffen die Bewohner in Untertürkheim (2090 oder 13,1 Prozent) vor Münster (710/11,3) und Bad Cannstatt (5500/8,2). Bei den nächtlichen Stadtbahnbelastungen rangiert Wangen (220/2,6), vor Münster (110/1,7) und Bad Cannstatt (980/1,5).