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Im Kampf gegen den Trading-Down-Effekte hat der Gemeinderat 2,7 Millionen Euro genehmigt. 600 000 Euro fließen nach Bad Cannstatt.

Bad Cannstatt - Wenn Billiganbieter, Wettbüros, Spielhallen oder Ladenleerstände in Ortzentren überhandnehmen, so sprechen Experten von einem Trading-Down-Effekt. Dass dieser negative wirtschaftliche Strukturwandel keinen Bogen um die Stadtteilzentren der Landeshauptstadt macht, ist klar und demzufolge seit gut 20 Jahren dort zu verfolgen. Allerdings mit unterschiedlichen Ausprägungen. Während die Stadtplaner und -entwickler in Untertürkheim – vor allem was den Leerstand angeht – „Land unter“ brüllen, erscheint die Situation in Bad Cannstatt diesbezüglich nicht prekär. In Stuttgarts größtem Stadtbezirk sind die Probleme städtebaulicher Art.

Das Büro Acocella hat deshalb die Einzelhandelssituationen in sechs Stadtbezirken analysiert. Neben Bad Cannstatt und Untertürkheim waren dies Weilimdorf, Zuffenhausen, Feuerbach und Vaihingen. Die Vorlage „Handlungskonzepte für lebendige Stadtteilzentren“, die darauf basiert, ist rund 140 Seiten stark und wurde den betroffenen Bezirksbeiräten im Herbst 2017 vorgestellt. Zwar gab es eine breite Zustimmung, jedoch wollten die Bürgergremien mehr Geld als nur 150 000 Euro für erste Maßnahmen im Kampf gegen den Trading-Down-Effekt.

Die Forderung blieb nicht ungehört, 2,7 Millionen Euro wurden in den Etatberatungen bewilligt. 600 000 Euro sollen Bad Cannstatt zu Gute kommen. Hermann-Lambert Oediger, Leiter der Stadtentwicklung des Stadtplanungsamtes, kam jetzt mit den ersten Vorschlägen, die alle aus dem Gutachten hervorgehen, erneut in den Bezirksbeirat. „Bad Cannstatt hat einen Vorteil, hier engagieren sich Bürger bereits seit drei Jahren in der Zukunftswerkstatt und haben bereits Schwerpunkte wie etwa den Wilhelmsplatz formuliert“, so Oediger. Und der Verkehrsknoten spiele auch in den Überlegungen der Stadtplaner eine tragende Rolle. Im Haushalt wurden zusätzlich 100 000 Euro für einen Rahmenplan genehmigt, der aufzeigen soll, was verkehrstechnisch und stadtgestalterisch dort überhaupt möglich ist.

Wilhelmsplatz im Fokus

Bekanntermaßen soll hier ab Herbst der Schnellbus in Betrieb gehen und einige Monate später mit der U 16 eine weitere Stadtbahn. „Der Platz ist eine Schlüsselmaßnahme“, so der Experte. Gleiches gelte für die Marktstraße. Die Verwaltung schlägt vor, 150 000 Euro in die Fußgängerzone zu investieren; unter anderem auch für attraktivere Sitzbänke.

Für die Aufwertung der Wegebeziehungen zwischen Altstadteingängen zur Marktstraße/Marktplatz werden 200 000 Euro vorgeschlagen. „Wir können uns hier ein Stadt- und Kulturleitsystem analog zur Innenstadt sehr gut vorstellen“, so Oediger. Ebenfalls ein neues Lichtkonzept. Der gleiche Betrag wäre den Stadtplanern auch eine attraktivere Bahnunterführung König-Karl-Straße wert. Die ist heute die Hauptzufahrt und präsentiert sich heute als dunkle, gut 200 Meter lange Röhre. Die Unterführung in der Daimlerstraße, der sehr viel heller gestaltet wurde, soll hier als Vorbild dienen. Zu guter Letzt schlägt die Verwaltung auch noch vor, 50 000 Euro in ein Förderprogramm zur Revitalisierung und angemessenen Nutzung von Geschäften in der Marktstraße.

Cannstatts größte Bausünde

Und was geschieht mit dem Baublock, der zwischen der Bahnhof- und Eisenbahnstraße sowie dem Wilhelmsplatz liegt? Dieser Bereich der Cannstatter Innenstadt, der auch auf der Agenda der Zukunftswerkstatt auftaucht, zählt sicher zu den größten Bausünden und präsentiert sich heute in einem ganz üblen Zustand. Vor allem seitdem vor einigen Jahren das Schnellrestaurant geschlossen wurde. Eine Zeit lang hatten sich andere Gastronomen dort versucht. Mit wenig Erfolg. Auch der Umbau zu einer Diskothek wurde gestoppt. Seitdem verrottet das Gebäude. „In einigen Jahren läuft der Erbpachtvertrag aus, dann hat die Stadt zumindest auf diesen Gebäudeblock Zugriff“, so Hermann-Lambert Lediger, der weiß, dass hier großer Handlungsbedarf herrscht.

Insgesamt zeigten sich die Bezirksbeiratsfraktionen zufrieden, dass in ein wichtiges Thema Bewegung kommt. Walter Opfermann (CDU) ist jedoch der Meinung, dass die 50 000 Euro für ein Revitalisierungskonzept von Geschäften ein zu geringer Betrag sei. Damit sei nicht viel zu erreichen. Generell würden es die Christdemokraten begrüßen, wenn die 600 000 Euro komplett in die Marktstraße investiert werden würden. Die Cannstatter Grünen wollen die Verwaltungsvorschläge intern diskutieren, um später mit eigenen Ideen aufzuwarten. „Allerdings muss sich eine schönere Möblierung auch auf dem Marktplatz widerspiegeln“, fordert Peter Mielert, der Geld für eine Bepflanzung allerdings für überflüssig hält. „Das sollte – wie in anderen Stadtbezirken – selbstverständlich sein.“ Die SPD fragt sich, ob man mit den 600 000 Euro „Klotzen oder Kleckern“ soll – sprich die Summe nur in eine Maßnahme zu stecken. Gerhard Veyhl (Freie Wähler) ist sich über eines auf jeden Fall klar: „Eine Verteilung nach dem Gießkannenprinzip wäre falsch.“ Unschlüssig war sich das Bürgergremium auch darüber, ob die Stadt 200 000 Euro in die Bahnunterführung stecken soll. Gerade diese Maßnahme hält Oediger jedoch für wichtig. „Es ist der erste Eindruck, den man von Bad Cannstatt bekommt, und der sollte freundlicher sein.“ Zudem warnte er davor, das gesamte Geld nur in die Marktstraße zu investieren. Zumal das Tiefbauamt signalisiert hatte, noch in diesem Jahr mit der Belagserneuerung zu beginnen – mit eigenen Mitteln.