Definitiv kein Bild mit Seltenheitswert: Zwei, manchmal noch mehr Fahrzeuge der Schnellbuslinie stecken im Bereich der Eisenbahnbrücke im Stau. Foto: Steegmüller - Steegmüller

Leere Busse, die zudem im Stau stehen, die Kritik an der neuen Expressbuslinie nimmt zu. Dennoch sieht SSB-Chef Wolfgang Arnold keine Notwendigkeit, den 5-Minuten-Takt zu ändern.

Bad CannstattSeit knapp drei Wochen pendeln die Fahrzeuge der neuen Schnellbuslinie zwischen Bad Cannstatt und der Stuttgarter City. Doch statt Lob für ihr als innovativ bezeichnetes ÖPNV-Modell ernten die Verantwortlichen der Stuttgarter Straßenbahnen viel Spott, Häme und Kritik. Der Grund: Die Auslastung – vor allem außerhalb des Berufsverkehrs – ist extrem gering. Da die neue Linie im 5-Minuten-Takt unterwegs ist, kommt es sogar vor, dass ein Bus ohne einen einzigen Fahrgast losfährt. Zudem sorgen drei, manchmal sogar vier der markant gesprenkelten Busse, die gleichzeitig an der Haltestelle Wilhelmsplatz auf Kundschaft warten, für ein skurriles Bild. Viele Cannstatter, zuletzt auch die Mitglieder des Gewerbe- und Handelsvereins schütteln – angesichts der chaotischen Verhältnisse und der städtischen Verkehrspolitik – nur noch den Kopf und zeigen kein Verständnis. Ihrer Meinung nach seien Maßnahmen wie der Expressbus sogar „geschäftsschädigend“.

Die Kritiker im Gemeinderat, allen voran die FDP-Fraktion, sehen ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt und bezeichneten die Expressbuslinie als einen „bislang teuren und umweltschädlichen Rohrkrepierer“. Denn rund 2,5 Millionen Euro hat die Stadt in den Um- und Ausbau der Busstrecke sowie in die Umrüstung der Ampelanlagen investiert. Dazu kommen noch die jährlichen Betriebskosten in Höhe von 2,7 Millionen Euro.

Die vielen kritischen Stimmen blieben natürlich nicht ungehört. Für Wolfgang Arnold, technischer Vorstand bei der SSB, ist es dennoch „viel zu früh“, um an dem so belächelten 5-Minuten-Takt mit leeren Bussen etwas zu ändern oder die Linie gar einzustellen: „Wir brauchen Geduld und Zeit“, sagt Arnold, denn mit der X-1-Linie betrete die Landeshauptstadt in Sachen ÖPNV auch Neuland. Zum ersten Mal gebe es einen Parallelbetrieb zwischen einer Bus – und einer Stadtbahnlinie. Ein Muss, denn der Expressbus soll in den kommenden fünf Jahren die überfüllte U 1 so lange entlasten, bis auf deren Strecke die Hochbahnsteige verlängert worden sind und 80-Meter-Züge fahren können.

Doch laut dem Technikvorstand ist der X 1 auch eine „experimentelle Buslinie“, mit der die SSB die Zukunft des Busverkehrs mit Gelenkbussen sondiere, die über einen innovativen Antrieb verfügen und umweltfreundlicher sind. Für die Express-Fahrten hat die SSB deshalb ihre Flotte um zehn spezielle Busse erweitert, unter anderem mit Kompakthybridbussen der Daimler-Tochter EvoBus. Bei diesen Fahrzeugen ist zwischen Motor und Automatikgetriebe ein Elektromotor platziert, der als Generator arbeitet und Strom erzeugt. „Wir nutzen gezielt die Möglichkeit, weitere innovative Antriebskonzepte in Zusammenarbeit mit den Herstellern zu erproben“, so Arnold. Ziel sei es, zu emissionsfreien Fahrzeugen zu kommen, die eine ähnliche Reichweite und Verfügbarkeit wie herkömmliche Dieselbusse bieten.

Allerding will Wolfgang Arnold, der selber schon mehrfach im Expressbus mitgefahren ist, die bisherigen Schwachstellen gar nicht schönreden. Zumal den SSB-Verantwortlichen und den Ampel-Experten beim Tiefbauamt schon klar war, was signaltechnisch in Bad Cannstatt auf sie zukommt. „Wir müssen zügig sowohl an der Hard- und Software nachjustieren und die Ampeln weiter optimieren.“ Das gelte insbesondere stadtauswärts an der Busschleuse auf der König-Karls-Brücke.

Dass es dort weiterhin nur zwei Fahrspuren gibt, auf denen der Expressspur im Berufsverkehr „mitschwimmen“ muss, daran werde sich auch in Zukunft wohl nichts ändern. „Bauliche Maßnahme – sprich eine eigene Busspur bis zum Wilhelmsplatz – sind meines Wissens nach nicht geplant“, so der SSB-Vorstand. Diese Befürchtung hegen jedoch viele Cannstatter, zumal eine Fahrbahnreduzierung für den Individualverkehr schon vor etlichen Monaten von den Cannstatter Grünen im Bezirksbeirat ins Spiel gebracht wurde.

Was die katastrophale Auslastung der X-1-Linie angeht, so gibt sich Arnold optimistisch, dass sich das verbessert. Fahrgastzählungen sind jedoch keine geplant – vorerst. „Das macht nach so wenigen Wochen wenig Sinn.“ Zumal ein wichtiger Termin noch ausstehe: Denn mit der U 16 nimmt im Dezember ein weiterer potenzieller Fahrgastzubringer für den Expressbus den Betrieb auf. Allerdings gibt der SSB-Vorstand auch zu, dass dadurch die sowieso schon „extrem komplexe Ampelsteuerung“ am Wilhelmsplatz nicht einfacher werde. Denn mit dem Fahrplanwechsel gibt es dann stündlich 84 ÖPNV-Fahrten über den Verkehrsknoten, 32 mehr als im Vorjahr.