Martin Foto: Nikolaus Höchner (z) - Nikolaus Höchner (z)

Die Theatergruppe des Carlo-Steeb-Hauses bietet den Besuchern der Einrichtung Abwechslung und stärkt deren Selbstwertgefühl.

Bad Cannstatt Wie langsam die Mühlen der Bürokratie mahlen, erfährt der Protagonist im Stück „Der Wohnungssuchende“. Die Handlung: Ein Mann kommt aufs Amt, weil er eine Wohnung sucht. Doch statt ein Zuhause vermittelt zu bekommen, erfährt er vom zuständigen Sachbearbeiter nur Desinteresse. Ihm wird zum Beispiel mitgeteilt, wie viele andere Personen außer ihm noch auf eine Wohnung warten – doch helfen will dem Mann so recht niemand.

Ein Schicksal, das so mancher Bewohner des Carlo-Steeb-Hauses so oder so ähnlich aus eigener Erfahrung kennen dürfte. Denn die Einrichtung ist Anlaufstelle für Wohnungslose. Daher liegt es auf der Hand, dass das Stück „Der Wohnungssuchende“ Teil des Repertoires der Theatergruppe des Carlo-Steeb-Hauses ist. Die Idee zu diesem Projekt hatte vor neun Jahren Johannes Kucher, der als Sozialarbeiter in der Obdachlosenunterkunft der Caritas tätig ist. Die Idee zur Gründung der Gruppe hatte er nach einem Praktikum und Kursen in Theaterpädagogik.

Einmal pro Woche, freitags um 14 Uhr, trifft sich die Gruppe im Carlo-Steeb-Haus zur Probe. Dann sitzen die Laienschauspieler um einen Tisch, Texte von neuen Stücken werden gemeinsam gelesen und besprochen, Anregungen der Schauspieler aufgenommen, die Textpassagen abgeändert. „Hauptsächlich spielen wir kürzere Sketche“, sagt Kucher, der diese sowie „Der Wohnungssuchende“ teilweise selbst schreibt. Regie führt der Theaterpädagoge Vladislav Grakovskiy, der unter anderem das Theater Atelier betreibt. „Wir haben auch schon Stücke von Brecht oder Tschechow einstudiert“, sagt er.

Die Theatergruppe besteht aus vier bis neun Laienschauspielern und tritt regelmäßig auf. Zum Beispiel auf dem Sommerfest verschiedener Einrichtungen der Caritas. Außer den Bewohnern des Carlo-Steeb-Hauses sind auch Klienten der Caritas-Tagesstätte in der Olgastraße sowie dem Gemeindepsychiatrischen Zentrum Teil der Kompanie.

Für die Bewohner des Carlo-Steeb-Hauses und die Besucher der anderen Einrichtungen ist das Theaterprojekt eine „positive Erfahrung, weil sie aus sich herauskommen können und auch einmal die Rolle wechseln dürfen“, sagt Kucher. Außerdem werde durch die Schauspielerei das Selbstbewusstsein der Teilnehmer gestärkt. Auch die regelmäßigen Probetermine sind wichtig, bieten den Besuchern der Einrichtung Struktur und Zuverlässigkeit, ist Kucher überzeugt.

Das Carlo-Steeb-Haus in Bad Cannstatt wurde 1980 als Großeinrichtung für wohnungslose Männer gegründet und zählt mit 140 Einzelzimmern zu den größten Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe in Baden-Württemberg.