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Das ungewöhnliche Verhalten mancher Bewohner der Behinderteneinrichtung St. Damiano hat in den vergangenen Wochen den einen oder anderen Nachbarn erschreckt. Um künftig Missverständnisse zu vermeiden, tauschen sich die Verantwortlichen mit den Anwohnern im Geiger aus.

Bad Cannstatt Seit April gibt es auf der Memberg-Kuppe in der Winterbacher Straße ein Wohnheim und einen Förderbereich für Behinderte, das Haus St. Damiano, welches von der Stiftung Liebenau dort auf dem früheren Areal der katholischen Kirche St. Peter gebaut wurde. Dort leben momentan zwölf Bewohner mit psychischer Beeinträchtigung, wie der Hausleiter Peter Francisci erklärt. Jetzt gab es einen ersten Gesprächsaustausch mit der Nachbarschaft.

Der Bedarf nach einem Betreuungsangebot für Menschen mit Behinderung und zusätzlich psychischer Beeinträchtigung war in Stuttgart so groß, dass das Sozialamt an die Stiftung Liebenau herangetreten war mit der Bitte, hier tätig zu werden. Jetzt gewöhnen sich die neuen Bewohner ein. „In den letzten Monaten ist im Haus schon viel geschafft worden“, sagt der Heimleiter. Auch für die Nachbarn ist jetzt eine neue Situation entstanden, weiß Francisci. Nicht alle haben bislang mit behinderten Menschen zu tun gehabt. Um über Probleme zu sprechen, hatte die Stiftung Liebenau kürzlich die Nachbarn eingeladen. Anwohner störten die Schreie, weil sie sie nicht einordnen konnten. „Es sind die Lautäußerungen der behinderten Menschen, wenn sie Hunger, Freude oder Schmerz empfinden und ausdrücken“, so Francisci. „Wir müssen schauen, dass wir baulich nachrüsten“, sagt Francisci. Es gebe schallisolierte Fenster und es werde überlegt, welche weiteren schallschutzdämmenden Maßnahmen gemacht werden können.

Auch am Wochenende waren wieder Schreie einer Bewohnerin zu hören, berichtet der Heimleiter. Der Hintergrund: Sie feierte erstmals ihren Geburtstag in St. Damiano. Francisci hat nun eine Dienstanweisung erlassen, dass die Fenster im Wohntrakt, die Richtung Geiger gehen, geschlossen bleiben müssen. Außerdem sollen lautere Bewohner Zimmer im Innenhof bekommen. Er hat Verständnis dafür, dass nicht jeder Nachbar gleich weiß, worum es geht. Wenn ein Bewohner „Hilfe“ ruft, will er oft einfach auch Kontakt aufnehmen.

Weitere Beschwerden betrafen Müll, der nicht weggeräumt gewesen sein soll. Der Heimleiter hat dies überprüft. Außerdem ging es darum, dass ein bis zwei Bewohner Gegenstände durch das Fenster warfen. „Diese landeten jedoch alle auf unserem Grundstück“, so Francisci. So sind etwa Blätter zu finden gewesen, die ein Bewohner herausgeworfen hat.

Dass die Nachbarn Probleme mit den Schreien und Lautäußerungen hätten, kann er nachvollziehen, sagt Francisci. Er versucht, es mit einem Vergleich mit Kleinkindern zu erklären, die sich, bevor sie sprechen können, so äußern. Die behinderten Menschen, die in St. Damiano leben, könnten sich anders nicht äußern. Sie können nicht sprechen. Auch gebe es einen, der sich nur im Laufschritt bewegen oder stillstehen kann. Francisci versucht, dies zu erklären und wirbt um Verständnis: „Wir sind der Übersetzer des Verhaltens.“ Beim Treffen mit den Nachbarn hätte mehr als die Hälfte der Menschen das Haus unterstützt und Verständnis gezeigt. Francisci will nun mehr Möglichkeiten zur Begegnung schaffen. Das sei der Wunsch beim Treffen gewesen. Das könne im Förderbereich erfolgen. Dort gibt es seit Juni ein Beschäftigungsprogramm.

Am 4. April wurden in St. Damiano die ersten Bewohner aus Stuttgart aufgenommen. Zuvor hatte es auch einen Tag der offenen Tür gegeben, bei der sich die Nachbarn informieren konnten, was mit großem Interesse wahrgenommen wurde. Ein erstes Haus ähnlicher Art wurde vor zwölf Jahren im Muckensturm von der Stiftung Liebenau gebaut und eröffnet. Der Gemeinderat der Stadt Stuttgart hatte nun die Stiftung Liebenau für die Versorgung von Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung beauftragt. Im November 2016 war mit dem Bau begonnen worden. Richtfest wurde genau vor einem Jahr gefeiert.

St. Damiano besteht aus zwei Gebäudeteilen, dem Wohn- und dem Fördertrakt. Der Förder- und Betreuungsbereich ist in einem zweigeschossigen Gebäude zur Winterbacher Straße hin untergebracht. Die Bewohner sind 18 bis 55 Jahre alt, viele davon autistisch geprägt. Sie bekommen hier ein individuelles Konzept zur Tagesbewältigung. Francisci ist sich sicher, dass der Eingewöhnungsprozess sich weiter bessern wird: Wenn die Bewohner sich an die neue Umgebung gewöhnt hätten, seien sie entspannter, so Francisci. Im September wird sukzessive eine zweite Gruppe mit zwölf Bewohnern aufgebaut. Der Heimleiter will mit den Nachbarn im Gespräch bleiben und ist offen für Rückmeldungen.