Mit 2165 Stimmen landete der kleine Bolzplatz auf Platz neun für den Bürgerhaushalt. Foto: Nagel Quelle: Unbekannt

(uli) - Die Zahlen beim vierten Bürgerhaushalt lesen sich beeindruckend: 51 875 Einwohner gaben insgesamt rund 1,23 Millionen Stimmen ab. Eine erneute Steigerung gegenüber 2015. Dennoch übt der Stuttgarter Haus- und Grundbesitzerverein massive Kritik. „Aufgrund des bestehenden Verfahrens werden fast nur kleinteilige Projekte in den Stadtbezirken aufs Podest gehoben“, kritisiert Vereinsvorsitzender Klaus Lang.

Zur Erinnerung: Nach der Auswertung der Vorschläge und Stimmen Anfang April ergab sich ein zum Teil erstaunliches Bild. Der Wunsch nach einem neuen Kunstrasen für den SV Möhringen sammelte fast 5000 Stimmen und landete stadtweit auf Platz eins. Selbst der sanierungsbedürftige kleine Bolzplatz auf dem Burgholzhof schaffte den Sprung in die Top Ten und landete weit vor Verbesserungsvorschlägen, die über Stadtteilgrenzen hinaus gehen. „Der Bürgerhaushalt weckt falsche Erwartungen einer echten Mitbestimmung, was aber tatsächlich nicht der Fall ist“, so die Kritik Klaus Langs, der vor allem das Verfahren aufs Korn nimmt.

„Die wachsenden Beteiligungszahlen am Bürgerhaushalt beeindrucken nur auf den ersten Blick“, so Klaus Lang. Betrachtet man die Ergebnisse der Bewertungen, ist - wie auch schon in den Jahren davor - festzustellen, dass es sich bei der weit überwiegenden Zahl der vorne platzierten Vorschläge um Investitionsprojekte in den einzelnen Stadtbezirken handelt: „Neun der zehn bestbewerteten Vorschläge beziehen sich auf Maßnahmen vor Ort, unter den ersten 50 betreffen 39 rein stadtbezirksbezogene Interessen und lediglich elf die Gesamtstadt“, sagt der Vorsitzender.

Häufig landeten diejenigen Projekte im Vorderfeld, für die von Interessensgruppen besonders stark mobilisiert wurde. „Dies ist nicht unser Verständnis verantwortungsvoller Demokratie, sondern folgt dem Prinzip, dass derjenige gut abschneidet, der am lautesten vor seiner Haustüre trommelt“, ergänzt Geschäftsführer Ulrich Wecker „Geht man nach dem Ergebnis des Bürgerhaushalts, treibt das Thema Wohnraumversorgung die Menschen in Stuttgart nur wenig um“, so Wecker. Der Vorschlag zum Thema Sozialwohnungen habe es nicht einmal unter die ersten 100 geschafft. Entweder ein Beleg, dass das Thema Wohnen doch nicht so bedeutend ist, wie von der Politik angenommen, oder aber ein Beweis dafür, dass offenkundig gerade für sozial schwächere Bevölkerungsschichten der Bürgerhaushalt kein geeignetes Instrument ist, sich Gehör zu verschaffen.

Zudem kostet der Bürgerhaushalt viel Geld. Knapp eine Million Euro schätzen die Verantwortlichen bei haus & Grund. Zielgerichteter wären diese Mittel für ein stadtbezirksorientiertes Verfahren eingesetzt. Konkret regt der Verein an, die Etats der Bezirksbeiräte entsprechend zu erhöhen und die Einwohner auf der jeweiligen Stadtbezirksebene direkt Vorschläge für deren Verwendung machen zu lassen, auf deren Basis die Bezirksbeiräte dann verbindlich entscheiden.

München geht hier mit gutem Beispiel voran. Dort wird ein Bürgerhaushalt als bürokratischer Unsinn weiter abgelehnt. Stattdessen werden die Stadtviertelbudgets 2018 deutlich auf zwei Euro je Einwohner erhöht. Dann könnten die Beteiligten auch tatsächlich sehen, dass sich ihr Engagement lohnt und sich die bestplatzierten Vorschläge - mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit - auch umsetzen lassen. „Dies wertet die Arbeit der Bezirksbeiräte auf und wäre darüber hinaus auch weitaus gerechter, da die zur Verfügung stehenden Mittel im Verhältnis der jeweiligen Einwohnerzahl ausgegeben werden“, empfiehlt die Vereinsführung abschließend.