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Die Zahl der Stadtbahnunfälle ist in Bad Cannstatt extrem gestiegen, laut Polizei um 120 Prozent.

Bad CannstattEigentlich könnte die Polizei mit der Verkehrsunfallstatistik für das vergangene Jahr in Stuttgarts größtem Stadtbezirk zufrieden sein. In vielen Bereichen haben sich die Zahlen nach unten bewegt oder sind auf einem stabilen Niveau geblieben. Wenn da nicht das Thema Stadtbahnunfälle wäre.

Denn große Sorgen bereitet deren extremer Anstieg. Wurden 2016 „nur“ 15 registriert, so hat sich diese Zahl ein Jahr später mehr als verdoppelt. 33 Unfälle bedeuten eine Steigerung von 120 Prozent. „Was man dagegen noch machen soll, weiß ich nicht“, so Revierleiter Thomas Engelhardt im Bezirksbeirat Bad Cannstatt. In nahezu 100 Prozent der Fälle seien die Stadtbahnfahrer schuldlos, denn wenn Autofahrer plötzlich illegal wenden, Passanten trotz Z-Überwege Stadtbahnzüge übersehen oder verbotswidrig und vogelwild die Gleise überqueren, haben die Zugführer keine Chance, ihre tonnenschweren Stadtbahnen kurzfristig abzubremsen.

Tragischerweise mussten zwei Menschen ihren Leichtsinn und ihre Unaufmerksamkeit mit dem Leben bezahlen. Ende Juni übersah ein 70-jähriger Radfahrer am Überweg vor dem Großen Kursaal eine Stadtbahn und erlitt bei der Kollision tödliche Verletzungen. Anfang Oktober kam für einen 20-Jährigen ebenfalls jede Hilfe zu spät. Er befand sich kurz vor Mitternacht im Kreuzungsbereich Waiblinger/Daimlerstraße auf den Gleisen und wurde dort von einer Stadtbahn erfasst. Er verstarb noch an der Unglücksstelle. Gerade der zweitgenannte Bereich ist der Polizei und den Verantwortlichen der Stuttgarter Straßenbahnen AG schon seit Jahren als potenzieller Unfallschwerpunkt bekannt. Hier biegen Autofahrer, die auf der Waiblinger Straße in Richtung Fellbach unterwegs sind, oft illegal in Richtung Daimlerstraße über die Stadtbahngleise ab.

Neuer Unfallschwerpunkt

Doch seit 2017 gibt es einen weiteren neuralgischen Punkt im Straßen- und Stadtbahnnetz. Im Kreuzungsbereich Prag-/Haldenstraße vor der Firma Mahle ereigneten sich binnen weniger Wochen drei Unfälle. Obwohl die Beschilderung an der Kreuzung zur Haldenstraße klipp und klar eine Geradeausfahrt vorschreibt, setzten Autofahrer – einer hatte sogar sein Kind auf dem Rücksitz – zu einem waghalsigen Wendemanöver über die Stadtbahngleise an. Dabei hatten sie jedoch die von hinten herankommende Stadtbahn übersehen und wurden gerammt. Menschen kamen Gott sei Dank nicht ums Leben, allerdings verursachten die Autofahrer jedes Mal ein übles Verkehrschaos. „Wir werden diese Unfallschwerpunkte verstärkt überwachen“, sagte Engelhardt. Bei ähnlichen Aktionen, etwa am Olgaeck in der Innenstadt, kommen erstaunliche Zahlen zutage. Binnen zwei Stunden werden da schon zwischen 15 und 20 Autofahrer beim illegalen U-Turn erwischt. Doch über eines sind sich Polizei- und SSB-Verantwortlichen im Klaren: „Wegen engerer Fahrbahntakte und neuen Stadtbahnlinien wird die Zahl der Unfälle nicht abnehmen“, so Thomas Engelhardt. Und bekanntermaßen soll an Herbst die neue Stadtbahn U 16 die Linie U 13 zwischen Fellbach und Weilimdorf entlasten.

Zahlen und Fakten

Sieht man von dem großen Problem Stadtbahnunfälle ab, so ist die Verkehrsunfallstatistik 2017 für Bad Cannstatt eher unauffällig. So ist die Gesamtzahl der Unfälle (2016: 1318/2017: 1284) um knapp drei Prozent sogar geringfügig gesunken. Insgesamt gab es leider drei Tote (einer mehr als 2016), 38 Schwer- und 378 Leichtverletzte zu beklagen. Das bedeutet insgesamt ein Anstieg von 3,5 Prozent bei den Leichtverletzten. Der Anstieg bei den Schwerverletzten beträgt sogar 18,7 Prozent. Die Zahl der Verkehrsunfälle unter Alkoholeinfluss blieb mit 33 konstant, gleiches gilt für die Zahl der Fahrradunfälle (79), bei denen 66 Menschen leicht und zehn schwer verletzt wurden. Dass es mehr Pedelecunfälle im vergangenen Jahr gab, ist klar, da auch immer mehr mit diesen motorisierten Zweirädern unterwegs sind. Bei den Motorradunfällen (69) gab es zwei mehr als 2016, wobei elf Personen schwer verletzt wurden. Erfreulich aus Sicht von Thomas Engelhardt: Weniger Passanten als 2016 wurden im Straßenverkehr verletzt, und die Zahl der Kinder, die auf dem Weg zur Schule einen Unfall hatten, ist mit zwei sehr gering. Abgenommen haben auch die Unfallfluchten, allerdings sei die die Anzahl mit 752 und einem hinterlassenen Sachschaden von mehr als einer Million Euro immer „noch sehr hoch“. uli