Das Stadtbad in der Hofener Straße soll 2022 geschlossen werden. Allerdings plädieren die Cannstatter dafür, das Bad angesichts von fehlender Schwimmflächen weiter zu betreiben. Foto: Nagel - Nagel

60 Prozent der Viertklässler können nicht schwimmen. Darum wollen die Bäderbetriebe nun vermehrt Wasserflächen für den Schulunterricht sperren.

Bad CannstattSchwimmen ist beliebt. Mit über 400 Millionen Besuchern pro Jahr gehören die Bäder zu den am stärksten besuchten Freizeiteinrichtungen in der gesamten Bundesrepublik. „Dieser Nachfrage können wir in Stuttgart mehr als nur gerecht werden“, sagte Alexander Albrand, Geschäftsführer der Bäderbetriebe Stuttgart, als er den Mitgliedern der 23 Stuttgarter Bezirksbeiräte im Großen Kursaal seinen Bäderentwicklungsplan 2030 präsentierte. Denn rund zwei Millionen Menschen nutzen jährlich das breitgefächerte Angebot der 16 Stuttgarter Hallen-, Frei- und Mineralbäder.

Doch das große Bäder-Portfolio hat seinen Preis: Erhalt und Modernisierung – allein das Mineralbad Berg verschlingt rund 35 Millionen Euro – hat in den vergangenen 15 Jahren mit mehr als 100 Millionen Euro zu Buche geschlagen; und laut der Bäderkonzeption will die Stadt bis 2030 fast die gleiche Summe nochmals investieren, um ihre 16 Bäder zukunftsfähig zu gestalten. Mehr Attraktionen und Service sowie eine übersichtlichere Tarifstruktur. „Die Bedürfnisse der Besucher haben sich geändert“, so Albrand. Als Grundlage für sein Zukunftspapier dienten ihm eine Untersuchung von der Firma PROFUND Consult GmbH, die Stuttgarts Bäderlandschaft auf Herz und Nieren unter die Lupe nahm, sowie eine umfangreiche Besucherbefragung.

Nach Auswertung der erhobenen Daten konnte Alexander Albrand den Bezirksbeiräten eine gute Nachricht unterbreiten: „Kein Bad steht auf der roten Liste – im Gegenteil, die Stadt plant sogar – neben dem Sportbad im Neckarpark – einen weiteren Neubau“. Denn Bedarf herrsche vor allem im Stuttgarter Norden, weshalb ein Lehrschwimmbecken in Weilimdorf auf der Agenda stehen würde. Sorgenkind seien vor allem die Hallenbäder, in denen teilweise großer Sanierungsbedarf herrsche. Zudem haben Zählungen ergeben, dass immer weniger Menschen die öffentlichen Schwimmzeiten nützen.

Im gleichen Atemzug klagen Vereine und Schulen jedoch über zu wenig „Wasserflächen“, die sie für Schwimmunterricht zu Verfügung haben. Die Folgen sind laut Thomas Ruhland (DLRG) und Alexander Wolff, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Schwimmsporttreibender Vereine in Stuttgart, alarmierend: „Die Quote der Nichtschwimmer bei Erwachsenen – aber besonders bei den Kindern – ist erschreckend hoch“, sagte Ruhland. Fast 60 Prozent verlassen die Grundschule und können nicht schwimmen. Mit ein Grund sei, dass für den Unterricht keine Schwimmflächen zur Verfügung stehen.

Die Bäderbetriebe haben deshalb folgendes vor: Potenzielle Wasserflächen bieten die Hallenbäder, weshalb die Stadtbäder in Bad Cannstatt und Plieniingen, die ganz schlechte Besucherzahlen haben, nur noch Vereinen und Schulen zur Verfügung stehen sollen. Doch auch in den anderen sechs Hallenbädern sollen die öffentlichen Schwimmzeiten teilweise drastisch reduziert und der Nachfrage angepasst werden. Während der Sommersaison sollen künftig nur noch zwei Hallenbäder (Zuffenhausen und Sonnenberg) geöffnet bleiben. Mit dieser Variante würden die Bäderbetriebe zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Mehr Wasserflächen für Schwimmunterricht stehen genauso zur Verfügung wie Personal, das in den Freibädern zum Einsatz kommen könnte. Denn auch hier drückt der Schuh ganz gewaltig. Die Stammgäste im Inselbad wissen ein Lied davon zu singen. Mangels Bademeister wurden dort 2017 und 2018 die Öffnungszeiten erheblich reduziert. „Das wollen wir natürlich vermeiden“, so der Bäder-Chef, der sehr wohl weiß, dass er mit seinem Konzept nicht in jedem Stadtbezirk offene Türen einrennt.

In Stuttgart-Ost beispielsweise herrscht großer Unmut, dass das Leo-Vetter-Bad im Sommer für die Öffentlichkeit künftig verschlossen bleiben soll. Dort steht das Thema bereits in der kommenden Woche auf der Tagesordnung des Bezirksbeirats. Wann sich die Bad Cannstatter mit dem Bäderkonzept 2030 und den verkürzten Öffnungszeiten der Hallenbäder befassen werden, steht noch nicht fest. Allerdings wird es dort wohl erneut die Forderung geben, das altehrwürdige Stadtbad in der Hofener Straße zu erhalten. Denn das soll, so Albrand, nach Eröffnung des Sportbads im Neckarpark im Jahr 2022 genauso Geschichte sein wie die Traglufthalle im Inselbad.