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Bad Cannstatt/red - Sieben ganz junge Hornträger balancieren derzeit mit unerschütterlicher Selbstsicherheit über ihre Kletterfelsen in der Wilhelma in Stuttgart. Jedes Jahr zum Sommeranfang folgt bei den Alpensteinböcken und den asiatischen Schraubenziegen eine Geburt der nächsten. Dabei zeigen sich nicht alle Muttertiere publikumsscheu: Wer zur richtigen Zeit auf die Außenanlage schaute, konnte vergangene Woche gleich bei zwei kleinen Steinböcken den Start ins Leben verfolgen.
Bereits beim Einsetzen der Wehen suchen sich die Geißen in der Regel einen geschützten Ort für ihre Niederkunft. Diesen sicheren Platz finden die Steinböcke unter einem Schatten spendenden Ahorn im unteren Teil ihrer Anlage. Umrahmt von Felsen können sich die Mütter hier in Ruhe um ihre neugeborenen Jungtiere kümmern, während die anderen Herdenmitglieder auf der Hügelkuppe auf Futtersuche sind. An den interessierten Blicken der Wilhelma-Gäste, die vom Besucherweg aus fasziniert zuschauten, schienen sich die Geißen nicht zu stören. Liefen die werdenden Mütter unter den ersten Wehen noch unruhig umher, gingen die Geburten selbst recht zügig. „Es dauert vielleicht eine Viertelstunde, bis das Jungtier da ist“, erklärt Revierleiterin Andrea Timm. „Eingreifen müssen wir dabei eigentlich nicht. Wenn wir die Gelegenheit haben, schauen wir gleich nach der Geburt, ob das Jungtier gesund ist und welches Geschlecht es hat. Nach gerade einmal zehn Minuten läuft es auch schon bei der Mutter mit und zeigt die ersten Bocksprünge.“ In den Alpen, der ursprünglichen Heimat der Steinböcke, bleibt die Herde in Bewegung und erklimmt dabei Höhen von bis zu 3200 Metern. Dort sind die Neugeborenen leichte Beute für Steinadler oder Wölfe. Den Anschluss an die Herde nicht zu verlieren, ist für die Kleinen daher überlebenswichtig. „Anfangs halten sich die Geißen noch ein paar Tage etwas abseits, damit sich die Mutter-Kind-Bindung richtig festigt“, erklärt Timm. „Danach bleiben häufig alle Kitze zusammen bei einer der Geißen, die sich untereinander abwechseln. Zum Säugen gehen sie dann wieder zu ihren Müttern.“
Auch bei den Markhoren, die in der Wilhelma gegenüber von den Steinböcken leben, teilen sich die Weibchen die Aufsicht über ihre gemeinsame Kinderstube. Hier wird gelegentlich sogar der Vater mit dieser verantwortungsvollen Aufgabe betraut. „Unser Bock wirkt dabei allerdings immer etwas ratlos“, berichtet die Revierleiterin. „Denn außerhalb der Paarungszeit leben die Böcke normalerweise nicht in der Herde, sondern sind als Einzelgänger unterwegs.“ In ihrer zentralasiatischen Heimat treffen sie erst im Sommer aufeinander, wobei es zu heftigen Kämpfen um die Weibchen kommen kann. Dabei kommen auch die beeindruckenden, spiralig gewundenen Hörner zum Einsatz, denen die Markhore ihre deutsche Bezeichnung „Schraubenziegen“ verdanken. Die Stirnwaffen der Männchen können sogar über einen Meter lang werden. Bei den Kitzen ist von dieser Imposanz zwar noch nicht viel zu sehen, ihre Kräfte erproben sie aber schon im Alter von wenigen Tagen. Besonders in den Morgenstunden und ab dem späten Nachmittag kann man beobachten, wie sich die Kitze spielerisch von den Felsen schubsen, um sich im nächsten Moment leichtfüßig und trittsicher über Steinhaufen zu jagen.