Ein Müll-Brennpunkt im Stadtbezirk Mühlhausen ist das Gebiet rund um den Max-Eyth-See. Foto: Rehberger Quelle: Unbekannt

„Die Stadt hat gegenüber dem Jahr 2011 ein Drittel mehr wilden Müll einsammeln müssen.“

Von Uli Nagel

In der Landeshauptstadt gibt es immer mehr Schmuddelecken. Im Kampf gegen Schmutz, Unrat und Wohlstandsmüll nimmt die Stadt jetzt sehr viel Geld in die Hand. Rund 55 Millionen Euro in den kommenden fünf Jahren sollen dafür sorgen, dass nicht nur die Innenstadt, sondern auch die Straßen, Gehwege und Plätze in den Außenbezirken wieder sauberer werden.

Die zunehmende Vermüllung ist sicher nicht nur ein Stuttgarter Phänomen. Experten sehen den Grund in einer immer intensiveren Nutzung des öffentlichen Raums durch die Bevölkerung. Das soziale Leben verlagert sich zunehmend nach draußen, hinzu kommen natürlich auch noch die längeren Öffnungszeiten vom Einzelhandel und von der Gastronomie. Bereits 2013 hat der Gemeinderat ein erstes Maßnahmenpaket gegen die zunehmende Vermüllung des Straßenbilds und Grünanlagen beschlossen und in Teilen auch umgesetzt.

Doch ein Großteil der Gelben Karten, die jährlich beim Beschwerdeteam der OB-Stabsstelle im Rathaus auf dem Schreibtisch landen, betreffen seit Jahren das Thema mangelnde Sauberkeit und zunehmende Vermüllung. Und das, obwohl die Stadt in den vergangenen fünf Jahren die Anzahl der Abfallbehälter um rund 400 erhöht hat. „Die Stadt hat gegenüber 2011 ein Drittel mehr wilden Müll einsammeln müssen“, konstatierte der zuständige Bürgermeister Dirk Thürnau Mitte 2017, als er mit OB Fritz Kuhn ein umfangreiches Konzept im Kampf gegen das schmuddelige Stadtbild präsentierte. „Wir haben jetzt einen Katalog aus vielen Einzelmaßnahmen, die zusammen ein großes Ganzes ergeben. Damit können wir gezielter gegen die Vermüllung vorgehen und sie wirksam und sichtbar bekämpfen“, gab Kuhn damals die Devise aus.

Das neue Stuttgarter Konzept besteht aus vier Säulen: verstärkte Reinigung, Prävention, Kontrolle und Strafen sowie Öffentlichkeitsarbeit. Rund 55 Millionen Euro verteilt auf die nächsten fünf Jahre genehmigte der Gemeinderat, wobei der Großteil der Summe in den Ausbau der Stadtreinigung investiert werden muss.

Gehwege und Fahrbahnen in der Innenstadt werden zukünftig dreimal statt einmal wöchentlich gereinigt - und zwar nass. Maschinell unzugängliche Bereiche sollen mit Hochdruckreinigern von Hand gesäubert werden. Geplant ist außerdem, den Aufwand für das Aufsammeln von Müll sowie die Leerung von Abfallbehältern zu verdoppeln. Neue Spezialgeräte sollen helfen, Spuren von Kaugummis, Speisen und Getränken von den hellen Bodenbelägen in der Innenstadt zu entfernen.

Doch auch in den Außenbezirken werden die Reinigungsintervalle der Kehrmaschinen sowie der manuellen Trupps auf Gehwegen, Plätzen und Grünflächen erhöht. In entsprechend belasteten Stadtbezirks- oder Stadtteilzentren wird ebenfalls die Nassreinigung auf Fahrbahnen eingeführt, zudem werden die Leerungsintervalle der Papierkörbe gesteigert. Thomas Hess, Geschäftsführer der Abfallwirtschaft Stuttgart, hatte im Dezember bei einer Besprechung die Bezirksvorsteher gebeten, ihm eine Liste der Schwerpunkte und Müll-Hotspots der jeweiligen Bezirke zukommen zu lassen (siehe Anhang).

Um deutlich zu machen, dass Vermüllung kein Kavaliersdelikt ist, will die Landeshauptstadt ihre Kontrollen erhöhen und Müllsünder konsequent bestrafen. Dazu sollen der Städtische Vollzugsdienst, die Untere Abfallrechtsbehörde und der Bereich Straßenrecht personell aufgestockt werden. Fußstreifen sollen die Vermüllung der innerstädtischen Fußgängerzonen, der äußeren Stadtbezirk-Zentren und der Grünanlagen sanktionieren und damit langfristig reduzieren.

Bei der Prävention steht die Information und Sensibilisierung der Bürger im Zentrum. Die Abfallberatungen in Kindergärten, Schulen und Vereinen soll fortgesetzt werden. Um bereits die Entstehung von Müll zu verhindern, sieht das Konzept auch eine Reduzierung des Einweg-Angebots in der Gastronomie vor. Stattdessen soll das Mehrweg-Angebot ausgebaut werden. Dazu gibt es bereits erste Ansätze bei den Coffee-to-go-Bechern.

MüllSchwerpunkte in den Stadtbezirken

Bad Cannstatt: Am Bahnhof und in der Bahnhofstraße; in der Daimlerstraße/Reichenbachstraße; am Jakobsbrunnen, in der Marktstraße; am Jakob-Heine-Platz; am Altkleiderstandort an der Ecke Taubenheimstraße/Wildunger Straße; in der Neckarvorstadt vor allem Aachener Straße/Duisburger Straße.

Münster: Am Dreickecksplätzle (Nagold-/Iller-/Jagststraße); vom Dreiecksplätzle bis zum Supermarkt; auf dem Grünzug Iller- bis zur Austraße. „Sensibel ist auch der Bereich rund um das Sport- und Kulturzentrum“, sagt Bezirksvorsteherin Renate Polinski. Das betreffe auch die Flächen am Bahnhof sowie auf dem Parkplatz bei der Chorgemeinschaft Münster in der Elbestraße.

Hedelfingen: Bezirksvorsteher Kai Freier hat noch keine Liste parat. Er will das Thema im Bezirksbeirat am 20. Februar diskutieren lassen.

Untertürkheim: Bezirksvorsteherin Dagmar Wenzel hat eine sehr lange Liste an die Abfallwirtschaft geschickt: Unter anderem herrscht Handlungsbedarf am Karl-Benz-, Leonhard-Schmidt- sowie am Postvorplatz; auf dem Storchenmarkt, in der Widderstein- und Strümpfelbacher Straße sowie rund um den Bahnhof. Auf ihrer To-Do-Liste stehen aber auch die Weinberge (Einstiege und Aussichtspunkte).

Obertürkheim: Je ländlicher ein Stadtbezirk, umso sauberer, diese Erkenntnis trifft sicher für Obertürkheim zu, dennoch hat Bezirksvorsteher Peter Beier einige neuralgische Punkte der AWS gemeldet: etwa die sogenannte innere Augsburger Straße vom Markt bis zur Einmündung Imweg oder der Gehweg (parallel zur Uhlbacher Straße) bei der Villa Kaiser.

Wangen: „Früher gab es Straßenreinigungsfahrzeuge mit Saugrüssel für die Kandel. Wenn diese wieder bei den regulären Fahrten eingesetzt werden könnten, wäre schon der größte Teil des Drecks weg - das betrifft die Ulmer Straße und alle Straßen, die die Ulmer Straße kreuzen sowie die Parallelstraßen Geislinger- und Nähterstraße“, sagt Bezirksvorsteherin Beate Dietrich. Handlungsbedarf herrsche auch in der Hedelfinger Straße (aus Richtung Hedelfingen kommend rechts), am Aussichtspunkt Schillerlinde sowie in den Heiligenwiesen.

Mühlhausen: Eine lange Liste meldet Bezirksvorsteher Ralf Bohlmann, die - wenn er seine Bürger fragen würde - sicher noch länger wäre: in Freiberg die Balthasar-Neumann-Straße (Wendehammer); in Mönchfeld den Aussichtspunkt Engelburg und den Panoramaweg; in Hofen den Parkplatz bei der St.-Barbara-Kirche, rund um den Kelterplatz und als Schwerpunkt den Max-Eyth-See; in Neugereut ballt sich das Müllaufkommen zwischen den Ladenzeilen des Einkaufszentrums, viel Abfall gibt es entlang der gesamten Benzenäckerstraße; in Mühlhausen sind unter anderem das Neckarufer, die Bushaltestelle 54 (Richtung Schloss), der Festplatz sowie der Fußweg hinter der Schallschutzmauer Aldinger Straße Müll-Hotspots.