Defekte Parkscheinautomaten sind ein Dauerärgernis für Bürger. Quelle: Unbekannt

„Gelbe Karten zeigen uns Schwachstellen, die wir bisher noch nicht kannten.“

Von Uli Nagel

Seit 20 Jahren gibt es in Stuttgart das Beschwerde- und Ideenmanagement, die so genannte Gelbe Karte. Bürger können so auf Missstände aufmerksam machen, Verbesserungenen anregen oder sogar eigene Ideen einbringen. Und immer mehr „zeigen“ der Stadt die Gelbe Karte, allein im vergangenen Jahr rund 8600 Mal - so viel, wie noch nie.

1997 wurde in der Landeshauptstadt ein Ideen- und Beschwerdemanagement unter dem Stichwort „Gelbe Karte“ eingeführt. Damit ermöglicht die Stadt ihren Bürgern, die Verwaltung über ihre Anliegen schnell und unkompliziert zu informieren, gleich, ob es sich um Kritik, Lob oder Verbesserungsvorschläge handelt. Hierzu wurde ein Team gebildet, das gemeinsam mit den zuständigen Stellen dafür sorgt, dass das jeweilige Anliegen weiter verfolgt wird. Gelbe Karten liegen zum einen an der Infothek des Rathauses sowie in den einzelnen Dienststellen aus. Zudem besteht die Möglichkeit, online über das städtische Internetangebot sein Anliegen vorzubringen.

Der Start war verhalten, gerade einmal 314 Gelbe Karten mussten vom Beschwerdeteam im Premierejahr bearbeitet werden, doch 1998 waren es bereits mehr als doppelt so viel. Mit 1803 Gelbe Karten wurde 2001 erstmals eine vierstellige Zahl erreicht und das Thema sogar Bestandteil einer Bürgerumfrage. Spätestens danach war der Rathausspitze klar: Die Gelben Karten sind ein Volltreffer, denn gerade einmal vier Prozent der Befragten gaben diesbezüglich eine negative Bewertung ab, der Rest fand das Ideen- und Beschwerdemanagement, das von Anfang an bei der OB-Stabstelle angesiedelt war, positiv.

„Die Gelbe Karte ist für die Bürger und unsere Beschäftigte längst eine feste Größe“, betont Fritz Kuhn. Stuttgarts Oberbürgermeister geht sogar noch einen Schritt weiter und bezeichnet die Bürger als Experten des Alltags. „Dank der Gelben Karten wissen wir, wo die Stuttgarterinnen und Stuttgarter der Schuh drückt. Sie zeigen uns auch immer wieder Schwachstellen, die wir bislang nicht kannten“, so Kuhn. Die Gelbe Karte sei sicher ein Grund, warum die Verwaltung seit Jahren bei der Bevölkerung ein so hohes Ansehen genießt.

Das Angebot wird immer reger genutzt, wobei die Zahl der abgegebenen Karten allein 2013 von gut 3000 auf mehr als 5000 gestiegen ist. Das lag aber nicht nur daran, dass die Bürgerschaft kritischer wurde. „Wir haben immer mehr Beschwerdekanäle“, verweist Stadtsprecher Sven Matis auf die Tatsache, dass neben E-Mail-Adressen, Fax- und Telefonnummern für Beschwerden seit vier Jahren eine Anwendung für Mobiltelefone angeboten wird.

Seit der Einführung hat die Stadt rund 56 800 Gelbe Karten erhalten, davon entfallen rund 8 600 Eingaben auf das vergangene Jahr. 2016 wurde bei rund 82 Prozent der Gelben Karten Kritik geübt beziehungsweise Störungen gemeldet, bei acht Prozent der Eingaben wurden Ideen und Vorschläge eingebracht, zwei Prozent enthielten ein Lob und bei acht Prozent wurden Fragen gestellt.

Nachdem eine Gelbe Karte im Rathaus eingegangen ist, wird sie von den vier Mitarbeitern des Beschwerde- und Ideenteams den Bürgermeisterreferaten zugeordnet und an die Fachämter weitergeleitet. „Dort wird dann das Anliegen geprüft und wenn möglich zügig umgesetzt“, erklärt Sven Matis. Doch manche Kritik oder Anregung lasse sich nicht ohne Weiteres - wenn überhaupt - realisieren. Beispielsweise wenn ein Bürger das Fehlen einer Grünen Welle für Autofahrer moniert. „Manches ist allein schon rechtlich nicht machbar“, so der Stadtsprecher. Allerdings bekomme der Bürger in jedem Fall eine Info. „Alle Karten werden beantwortet“, betont Mathis, denn ein Feadback - ob nun positiv oder negativ - sei wichtig.

Positive Erfahrungen machte auch Stefan Betsch. Vor allem durch seine Tätigkeit als Stadtführer stolpert er über Probleme und ist ein fleißiger Schreiber von Gelben Karten. Vor allem seitdem sie auch über die Stuttgart App ans Rathaus geschickt werden. „Ich schicke öfters Fotos von wildem Müll“, so Stefan Betsch, der die Gelben Karten insgesamt als sehr gute Einrichtung für Bürger einschätzt. Auch als er 2015 auf dem Weg zur Kita seiner Tochter ohne Vorwarnung vor der gesperrten Eisenbahnunterführung Brenzstraße stand, „zückte“ er die Gelbe Karte. Er bekam auch ziemlich zeitnah eine Antwort auf seine damalige Kritik, solche Baustellen doch im Vorfeld besser zu kommunizieren und vor allem plakativer, etwa mit Bannern an den Hauptstraßen. Eine Verbesserung würde er sich dennoch wünschen: „Die Mitarbeiter professionell Schulen lassen - manchmal ist der Ton etwas Oberlehrerhaft.“