Foto: Gökalp - Gökalp

Melina Gierl und Emilija Tolj sind Architekturstudentinnen. Sie haben diese Woche den Kurpark zur Spielwiese eines ausgefallenen Kunstprojekts gemacht.

Bad Cannstatt - Was ist da los im Unteren Kurpark? Plötzlich sind alle Sitzbänke mit gelbem Geschenkpapier eingewickelt, die Bäume sind mit blauen Schnüren verbunden und die Statuen in Folie eingewickelt. Die gesamte Woche schon gab es jeden Tag eine neue Überraschung für die Besucher der historischen Parkanlage. Wer genau hingeschaut hat, hat jedes Mal auch zwei junge Frauen entdeckt, wie sie in mühseliger Arbeit die Verschönerungen vorgenommen haben. Dabei handelte es sich um die 22-jährige Architekturstudentin Emilija Tolj und ihre 23-jährige Kommilitonin Melina Gierl. Die auffälligen Anbringsel sind Teil eines Studienprojekts. „Wir versuchen, die Poesie des Kurparks zu entdecken“, so die Studentinnen.

Die beiden haben sich für ihre Bachelorarbeit vorgenommen, den Kurpark zu analysieren und die Besonderheiten, die ihnen auffallen, optisch hervorzuheben. „Es gibt hier einige Sachen, die einem sofort ins Auge fallen“, sagen die Studentinnen. Sei es die besondere Stellung der Bänke, Brunnen und des Pavillons im Unteren Kurpark oder die auffallenden Achsenkrümmungen der Wege. „Einige Details werden erst auf einem Plan richtig deutlich“, sagt Tolj.

Der Cannstatter Park eigne sich auch daher gut für das Studienprojekt, weil das Publikum vor Ort interessant sei. „Es ist hier sehr durchmischt, jedes Alter ist vertreten“, so Gierl. Daran könne man erkennen, wie die Architektur funktioniere. „Dazu trägt insbesondere die Stellung der Sitzbänke bei.“ Sie zeigen alle nach innen auf die leere Grünfläche. Das lege den Fokus auf die Wiese und gestatte gleichzeitig einen freien Blick auf den Kursaal.

Bevor sich die angehenden Architektinnen mit Geschenkpapier, Folie und Schnur ans Werk gemacht haben, haben sie viel über den Park recherchiert. Über Schichtenpläne haben sie sich einen Überblick über den Ort verschafft. Anschließend haben sie eigene Skizzen erstellt und auf dem Papier die vielen Achsen und Winkel, die ihnen besonders aufgefallen sind, miteinander verbunden. „Was wir auf dem Plan markiert haben, haben wir nun in dieser Woche versucht, in der Realität darzustellen“, sagt Melina Gierl. Das Ergebnis wurde fotografiert, um es für die Bachelorarbeit zu verwenden. Einige Bilder landen auf der sozialen Plattform Instagram, wo sie unter dem Namen „aktivierungsprogramm“ zu finden sind. Dort gibt es nicht nur Bilder, sondern auch selbst geschriebene Poesie zu Architektur.

Während ihrer Arbeit werden sie oft angesprochen und haben schon viele positive Anregungen erhalten. „Einige wollten gar nicht, dass wir das gelbe Geschenkpapier von den Bänken wieder entfernen“, so die Studentinnen. Doch die Kunst ist nie von Dauer. Nach wenigen Stunden heißt es, alles wieder abbauen. Nicht immer eine leichte Aufgabe. Denn im Unteren Kurpark gibt es immerhin über 80 Sitzbänke, die alle mit dem Geschenkpapier eingewickelt wurden.

Die nächsten Wochen werden die Studentinnen immer wieder vor Ort sein. Denn sie haben noch viel vor. „Unser Ziel ist es, am Ende der Bachelorarbeit ein Musical auf die Beine zu stellen, in dem wir den Ort und die unterschiedlichen Menschen durch Musik miteinander verbinden“, sagt Emilija Tolj.