Maria Nestele ist die langjährige Leiterin der Frauenpension. Foto: Iris Frey - Iris Frey

Die Frauenpension des Fachbereichs „Hilfen für Frauen“ der Caritas Stuttgart ist in diesem Jahr 25 Jahre alt. Maria Nestele leitet die Zufluchtsstätte für Frauen in schwierigen Zeiten.

Bad CannstattDie Frauenpension des Fachbereichs „Hilfen für Frauen“ der Caritas Stuttgart ist in diesem Jahr 25 Jahre alt. Maria Nestele leitet die Zufluchtsstätte für Frauen in schwierigen Zeiten. Sie blickt zurück und voraus auf die Institution, die gefragt ist wie zuvor.

Frau Nestele, wer hat die Frauenpension vor 25 Jahren gegründet?
Es war der damalige Abteilungsleiter der Wohnungsnotfallhilfe des Caritasverbandes Albert Wild.

Was war der Auslöser zur Gründung?
Die zunehmende Wohnungsnot von Frauen und das unzureichende Hilfeangebot. Es gab nur wenig Angebote für wohnungslose Frauen, viele wurden mangels einer Alternative in Gasthöfen untergebracht. Schutz und Unterstützung gab es dadurch nicht. Die Frauenpension war als Alternative zu dieser Praxis gedacht.

Sie sind von Anfang an dabei als Leiterin der Frauenpension, wie hat sich das Haus weiterentwickelt?
Von der Konzeption her ist die Einrichtung immer gleich geblieben, keine, beziehungsweise geringe Zugangsvoraussetzungen und für die Frauen die Möglichkeit, erstmals zur Ruhe zu kommen und selber entscheiden zu können, wo sie Unterstützung brauchen und welche sie annehmen können. Es gibt inzwischen ein spezielles Angebot für psychisch kranke Frauen, Plätze für minderjährige Frauen und die Möglichkeiten nach dem Auszug in die eigene Wohnung nachbetreut zu werden. Der Fachdienst selber hat heute verschiedene Arbeitsbereiche, seit über zehn Jahren gehört ein Wohnprojekt in Obertürkheim dazu, zwei Kolleginnen arbeiten in der Zentralen Frauenberatung und der jüngste Arbeitsbereich ist die Arbeit mit Frauen in der Prostitution und die zweite Frauenpension seit 2016. Die Frauenpension im Veielbrunnenweg ist sozusagen die Stammeinrichtung.

Was macht den Vorbildcharakter des Hauses aus?
Der niedrigschwellige Charakter und der Ansatz soviel Normalität – zum Beispiel sind Tiere erlaubt – und Freiraum wie möglich gepaart mit einer engagierten qualifizierten Unterstützung durch die Mitarbeiterinnen.

Sie erhielten 2011 das Bundesverdienstkreuz für Ihre Arbeit. Was ist und war Ihnen bei der Arbeit wichtig?
Empathie, Akzeptanz anderer Lebensentwürfe und das Bewusstsein darüber, dass Scheitern nicht nur individuelle Gründe hat, sondern ebenso viele strukturelle.

Warum verschärft sich die Situation für wohnungslose Frauen von Jahr zu Jahr?

Einerseits ist das natürlich dem miserablen Wohnungsmarkt geschuldet, dem Verdrängungswettbewerb zuungunsten der Armutsbevölkerung, andererseits dem hohen Armutsrisiko von Frauen und den vielfältigen Verwerfungen wie beispielsweise den veränderten Familienstrukturen.

Wie funktioniert die Frauenpension?
Die wohnungslosen Frauen ziehen ein, das Einzugsgespräch ist das Vorstellungsgespräch. Sie bekommen eine Bezugssozialarbeiterin zugeordnet und erhalten einen Schlüssel für die Haustüre und das Zimmer. Hausordnung und Einrichtung wird erläutert. Im Haus gibt es einen Wachdienst, der kommt, wenn die Sozialarbeiterinnen gehen, das heißt, rund um die Uhr ist der Zugang kontrolliert. Es gibt vielfältige Angebote im Haus, frau kann vieles, muss aber nicht. Ehrenamtliche unterstützen unsere Arbeit, beispielsweise gibt es eine Malwerkstatt. Mittagessen wird gekocht, Haare werden geschnitten, die Angebote wechseln. Die Frauen können solange bleiben, bis eine Alternative für sie gefunden wurde. Dies kann die eigene Wohnung sein, inzwischen leider sehr selten oder ein anderer Platz im Hilfesystem.

Sie zählen rund 52 Bewohnerinnen, sechs Sozialarbeiterinnen und eine Krankenpflegerin. Wie ist der Betreuungsschlüssel?
Der Betreuungsschlüssel ist 1:8, das gilt für beide Einrichtungen.

Wie können Sie den Frauen helfen, die suchtkrank sind?
Wir bieten im Haus Beratung und Unterstützung durch qualifizierte Kolleginnen aus der Suchthilfe an und motivieren die Bewohnerinnen, das Angebot anzunehmen.

Sie haben ja zwei Standorte, einer im Veielbrunnenweg, der wurde vor ein paar Jahren saniert. Was ist anders beim Standort in der Kegelenstraße?
In der kleinen Frauenpension mit insgesamt 24 Plätzen sind die räumlichen Gegebenheiten anders, die Frauen leben stockwerksbezogen, ähnlich wie in Wohngruppen zusammen. Ansonsten ist alles gleich, die Konzeption, der Wachdienst und so weiter. In der großen Frauenpension, einem ehemaligen Wohnheim, gibt es Zimmer mit kleinen Küchen und etliche Appartements.

Was sind für Sie Erfolge bei der Begleitung der Frauen?
Erfolg kann die Vermittlung in eigenen Wohnraum, kann die Verhütung von Verschlimmerung sein, kann sein, dass sich die Frau auf eine Unterstützung durch uns einlässt. Ein Erfolg kann auch ein gutes Gespräch sein, in dem die wohnungslose Frau sich wahrgenommen und gesehen fühlt.

Viele Frauen kommen aus der Mietprostitution. Welche Perspektive können Sie bieten?
Eine vorübergehende Unterkunft.

Was für Möglichkeiten bieten Sie jungen Frauen zwischen 16 und 18 Jahren seit neuestem?
Wir haben seit 2012 zwei Plätze für junge Frauen , die in Kooperation mit dem Jugendamt der Stadt belegt werden.

Wie groß ist die Zahl wohnungsloser Frauen in Stuttgart?
Wahrscheinlich sind es 500 bis 600 Frauen, allerdings ist Wohnungslosigkeit von Frauen ein verdecktes Problem und die Frauen im Hilfesystem nur die Spitze des Eisbergs.

Was wünschen Sie zur Verbesserung der Situation für die Frauen?
Präventive Hilfen, eine Grundsicherung, die den Namen verdient und Wohnraum, günstigen Wohnraum. Das vor allem.

Die Fragen stellte Iris Frey.