So sah die Synagoge aus, die in der Nacht auf 10. November 1938 niedergebrannt wurde. Foto: Stadtarchiv Stuttgart - Stadtarchiv Stuttgart

An die Reichsprogromnacht vor 80 Jahren wird am 9. November erinnert. An dem Tag finden verschiedene Gedenkveranstaltungen auch am Platz der ehemaligen Synagoge statt.

Bad Cannstatt Am 9. November jährt sich zum 80. Mal die Reichspogromnacht. Mit verschiedenen Gedenkveranstaltungen wird daran erinnert, auch am Platz vor der ehemaligen Cannstatter Synagoge. Der Historiker Olaf Schulze, Vorsitzender von Pro Alt Cannstatt, erinnert an die tragische Geschichte der Pogromnacht: In Cannstatt lebten um 1900 rund 484 Juden, im Jahr 1925 waren es 310. In den 30er-Jahren seien es etwa 250 Personen gewesen. Die jüdische Gemeinde sei durch Auswanderung und Umzug vorher kleiner geworden, insbesondere nach 1933 flohen sie vor der Verfolgung.

Rachel Dror, Alfred Hagemann und Joachim Hahn haben in einem Buch über das jüdische Leben in Bad Cannstatt geschrieben: In den frühen Morgenstunden des 10. November 1938 ging die Synagoge in Flammen auf. Die Cannstatter Feuerwache II hatte den Befehl vom Stuttgarter Branddirektor erhalten, sie niederzubrennen, so Schulze. Um drei Uhr nachts stand sie in Brand. Schulze erinnert sich an eine Nachbarin aus der König-Karl-Straße, die damals Kind war und ihm einmal beschrieben hat, dass während des Brandes die Nachbargebäude gelöscht worden seien. Sie habe sich als Kind gefragt, warum die dort löschen, wo es gar nicht brennt. Und als ältere Frau habe sie dann erkannt, dass die Tat gegen die Juden gerichtet war.

Die Synagoge in Cannstatt wurde vom Leiter der Brandwache, zwei Feuerwehrleuten und einigen Nazis angezündet. Zuvor sei die Synagoge, die eine ehemalige Reithalle gewesen sei, von der Gestapo durchsucht und die Kultgegenstände zerstört worden, erklärt Schulze. Um 4.30 Uhr sei der Brand dann gelöscht worden. Wie die Autoren schreiben: „Sie war nur noch ein rauchender Schutthaufen.“ Auch Geschäfte wie eine Metzgerei in der Zieglergasse seien in Bad Cannstatt in der Pogromnacht zerstört worden.

In der Pogromnacht seien fast alle männlichen Stuttgarter Juden zwischen 18 und 65 Jahren verhaftet worden. Sie kamen ins Gestapo-Gefängnis Welzheim, aber auch ins KZ Dachau. Nach der Pogromnacht wurden weitere Gewaltmaßnahmen gegen Juden umgesetzt.

Das Erinnern sieht Schulze als wichtig, auch wenn praktisch kaum Schulklassen an der Gedenkveranstaltung teilnehmen. So sieht er es als bedeutsam, dass man auf das Thema hinführt. Das eine sei der allgemeine Gräuel, das andere die Ebene der Verortung. „Wichtig ist, dass man versucht, die Gräuel mit biografischen Beispielen und damit mit einer räumlichen Nähe zu vermitteln. Dies kann eine andere Berührungsebene hervorrufen.“ Dafür seien diese Erinnerungstage gut, so Schulze. Auch Bezirksvorsteher Bernd-Marcel Löffler erklärt: „Ich finde es gerade in der heutigen Zeit sehr wichtig, daran zu erinnern, in der vieles, was wir nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut haben, wieder verloren geht, dass so etwas nie wieder passieren darf.“ Der Gedenkort soll übrigens in mehreren Schritten umgestaltet werden. Dabei wirkt auch Pro Alt Cannstatt mit. Der Vorsitzende Olaf Schulze, weiß, dass der Zugang zum Sonnenbunker dicht von Autos zugeparkt ist. Deshalb sollen dort zwei Parkplätze direkt beim Zugang zum Sonnenbunker weggenommen werden und den Dauerparkern auf dem Parkplatzgelände zwei andere Orte zugewiesen werden. Auch Bezirksvorsteher Löffler bestätigt die Pläne, dass dort, wo die Gedenktafeln stehen, zwei Parkplätze freigeräumt werden sollen und dort Poller hingesetzt werden, dass man um die Gedenktafeln herumlaufen kann. Am 29. November wird die Maßnahme umgesetzt. Das Albertus-Magnus-Gymnasium hatte vor Jahren hier Gedenktafeln über ermordete Juden und ihre Geschichte an den Eingang des Sonnenbunkers angebracht.

In einer zweiten Stufe ist an eine teilweise gärtnerische Neugestaltung im vorderen Bereich beim ersten Gedenkstein gedacht, den es dort gab. Da ist gerade ein Landschaftsarchitekt dabei, eine Planung zu erstellen, so Löffler, auch in Abstimmung mit den Beteiligten. Er geht davon aus, dass die Umsetzung im zweiten Halbjahr 2019 erfolgt. Auch das Projekt des Albertus-Magnus-Gymnasiums soll erhalten bleiben, weiß Schulze. Es sei daran gedacht, eine zusätzliche Informationsebene zu schaffen, an der einzelne Stationen erläutert werden.