Jagen wie in der freien Wildbahn ist den Löwen in der Wilhelma nicht gestattet. Die Tiere werden deshalb mit zerlegten Tierkadavern gefüttert. Foto: Wilhelma/ Knitter - Wilhelma/ Knitter

Sechs Mitarbeiter der Wilhelma sind für den Speiseplan der Tiere zuständig. Jedes Tier bekommt sein individuelles Futter. 30 Tonnen Fisch, 22 Tonnen Fleisch und 60 Tonnen Obst, Gemüse und Grünzeug werden pro Jahr verfüttert.

Bad CannstattIm Zoologisch-Botanischen Garten sind sechs Mitarbeiter für den Speiseplan der rund 11 000 Tiere zuständig. Gelagert wird deren Futter in großen Kühlräumen. Einer davon ist der sogenannte Hackfruchtbunker. Auf dem Boden der Kammer stehen Kisten mit rohem Fleisch. In einer liegt ein Zettel mit der Aufschrift „Bären“. „In der Wilhelma verfüttern wir meist zerlegte Tiere“, sagt Thomas Seitz. Er ist Zoo-Inspektor und hat im Zoologisch-Botanischen Garten die Dienstaufsicht für die knapp 100 Tierpfleger.

Die Fleischbrocken aus den Kisten werden später v on Tierpflegern ins Bärengehege gebracht. Aufwendiger gestaltet sich die Fütterung der Affen. „Die wollen beschäftigt werden“, sagt Seitz. Die Tierpfleger im Affenrevier verstecken deshalb Obst und Gemüse im Stroh, verstreuen Popcorn und Körner im Affengehege oder füllen Quark und Säfte in sogenannte Stocherbüchsen, aus denen die Tiere dann mit Stöckchen den Inhalt rausangeln. So sollen die Tiere beschäftigt und die Nahrungssuche in der Wildnis imitiert werden. Denn zur artgerechten Tierhaltung gehöre in der Wilhelma auch, dass die Affen ihr natürliches Verhalten bei der Nahrungsaufnahme ausleben dürfen, sagt Seitz. Der Zoo-Inspektor ist bei aller Tierliebe Realist: „Jedem Tierpfleger muss bewusst sein, dass Löwen Fleisch fressen“, sagt er. Deshalb ist auch das tierschutzgerechte Töten zu Futterzwecken Teil der Ausbildung zum Zootierpfleger.

Kein Jagen wie in freier Wildbahn

Doch Jagen wie in freier Natur ist in der Wilhelma nicht gestattet. „Lebende Tiere werden höchstens im begründeten Einzelfall verfüttert“, sagt Seitz. Laut Paragraf 1 des Tierschutzgesetzes darf keinem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. Den Löwen lebendige Tiere zum Fraß vorzuwerfen, würde gegen das Gesetz verstoßen. Es gibt aber Ausnahmen. Denn im selben Gesetz heißt es in Paragraf 2 „Wer ein Tier hält oder betreut, muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen.“ Deshalb dürfen etwa Schlangen – die in freier Wildbahn auch jagen – mit lebenden Tieren gefüttert werden, sofern sie keine toten Mäuse als Beute annehmen und andernfalls verhungern würden.

Im Vorraum zur Kühlkammer lagern Kisten mit gefrorenen Küken, die dort auftauen. Die männlichen Küken wurden von Eierproduktionsbetrieben bei der Zucht von Legehennen aussortiert und getötet. Häufig werden sie von den Betrieben als Abfallprodukte geschreddert oder verbrannt. In der Wilhelma dienen sie dagegen als Tierfutter. An der Tür eines weiteren Kühlraums hängt eine Notiz, auf der zu lesen ist: „Bei den Seelöwen heute keine Tintenfische.“ Hier lagern Heringe und Tintenfische, die bei der öffentlichen Seelöwen-Fütterung gereicht werden. „Der Speiseplan ändert sich auch bei den Tieren gelegentlich“, sagt Seitz.

Eine größere Menge als die circa 30 Tonnen Fisch oder die rund 22 Tonnen Pferde- und Rindfleisch, die in der Wilhelma jährlich verfüttert werden, macht pflanzliche Nahrung aus: Etwa 60 Tonnen Obst, Gemüse und Grünzeug werden von den Bewohnern jährlich gefressen. Das sind etwa 165 Kilogramm pro Tag. Deshalb bezieht die Wilhelma zwei bis drei Mal pro Woche frische Ware vom Großmarkt. Doch das ist nur ein Teil der Futtermenge: Weit mehr kommt noch an Heu, Stroh, Luzernen oder Pelletfutter hinzu, das vor allem von Huftieren wie Pferden oder Kühen gefressen wird.

Doch nicht nur Pflanzenfresser mögen Obst und Gemüse: Auch Fleischfresser wie Eisbären verdrücken gerne einen Salatkopf – umgekehrt fressen auch manche Pflanzenfresser Fleisch. So wurden in der freien Wildbahn bereits Flusspferde beobachtet, die an Kadavern von Gnus oder Zebras gefressen haben.

Auch Laub steht bei vielen Tierarten auf dem Speiseplan, etwa bei den Haubenlanguren. Diese Affenart lebt in den Mangroven- und Küstenwäldern im Osten der indonesischen Insel Java und zählt zu den Laubfressern. Um die Tiere ganzjährig füttern zu können, wird für den Winter säckeweise gefrorenes Laub in den Kühlkammern gelagert. Im Sommer wird dies aus den Wäldern der Region bezogen.

Produkte, die immer seltener benötigt werden, sind Babyaufzuchtprodukte wie Milchpulver. Denn von Hand aufgezogen wird der Nachwuchs nur noch in Ausnahmefällen, etwa wenn die Mutter das Jungtier nicht annimmt. Durch Handaufzucht würden die Tiere oft zu sehr auf Menschen ausgerichtet und könnten später ihren Nachwuchs nicht aufziehen, sagt Seitz. Auch dies ist eine Facette von artgerechter Haltung im Zoologisch-Botanischen Garten.