Die Mut-Tour machte auf ihrem Weg durch Deutschland Station in Bad Cannstatt. Sie wirbt für einen unverkrampften Umgang mit Depression. Nicht alle Betroffene können sich erlauben, ihre Depression öffentlich zu machen. Daher das Smiley als Repräsentant dafür. Foto: Sebastian Burger Quelle: Unbekannt

Von Edgar Rehberger

Einen unverkrampften Umgang mit dem „D-Wort“ - das hat sich die Mut-Tour auf die Fahnen geschrieben, die sich seit 2012 durch Deutschland bewegt. Auf Tandems, in Zweier-Kajaks und zu Fuß sind depressionserfahrene und -unerfahrenen Menschen unterwegs, um Ängste und Vorurteile abzubauen und einen Beitrag zur Entstigmatisierung von Depression als Erkrankung zu leisten.

Seit 2012 haben die Teilnehmer der Mut-Tour mehr als 22 000 Kilometer zurückgelegt. In diesem Jahr kommen zwischen 10. Juli und 25. August weitere 3200 dazu. Station war dabei auch Bad Cannstatt. An jedem Ort der Route - Start war in Bremen, Ziel ist Leipzig - wird auf das Anliegen aufmerksam gemacht. Dabei ist der Name Programm: Mutige Menschen möchten anderen Menschen Mut machen. So wie die 55 Jahre alte Mona aus Mainz: „Ich wünsche mir von meiner Umwelt, dass sie akzeptiert, wenn ich sage ‘ich kann im Moment nicht sprechen, die Verabredung einhalten, einfach die schönen Dinge des Lebens sehen oder den Abwasch machen‘. Für Nichtbetroffene muss es unvorstellbar sein, dass man in einer akuten Depression genug mit sich selbst zu tun hat.“ Sophie (27) aus Nürnberg findet es erschreckend, wie sehr das Thema psychische Erkrankungen immer noch totgeschwiegen wird. „Alle sollten daran mitwirken, dass es irgendwann genauso normal wird zu sagen, ‘Ich gehe heute zur Psychotherapie‘, wie es jetzt ist zu sagen, ‘Ich muss heute zum Zahnarzt‘.“ Depression sei eine ganz normale Erkrankung, die gut behandelt werden könne, ergänzt Dietmar (64) aus Duisburg. „Ich bin ein Mensch wie alle anderen und habe Spaß am Leben, auch in extremen Situationen.“

Auf der Tour sollen auch die Betroffenen repräsentiert werden, die es sich nicht erlauben können, ihre Erkrankung öffentlich zu machen. Sie erleben berufliche Benachteiligung und Mobbing. In den vergangenen Jahren hat sich beim Thema Depression zwar einiges getan, aber von einem angst- und schamfreien Umgang mit psychischen Erkrankungen ist die Gesellschaft noch weit entfernt.

Das Aktionsprogramm Mut-Tour will einen Beitrag dazu leisten. Ein offener Umgang mit dem Thema, Verständnis erzeugen und Normalität im Alltag - damit wäre schon viel erreicht. Dafür radeln die Tandem-Teams pro Tag auf ihren acht Etappen bis zu 60 Kilometer, das Kajak-Team bewältigt eine 26 Kilometer lange Etappe zwischen Tangermünde und Wittenberg. Die Wanderer sind zum einen von Friedrichshafen nach Kempten und zum andern von Wismar nach Schwerin unterwegs. 29 Frauen und 16 Männer beteiligen sich in diesem Jahr.

Für das kommende Jahr werden bereits Teilnehmer mit und ohne Depressionserfahrung gesucht, die zwischen Juli und September Lust haben, eine sechs- bis achttägige Etappe mitzufahren, um an den Haltepunkten von ihren Erfahrungen im Umgang mit der Erkrankung zu berichten. Interessierte können sich auch online anmelden. Unterstützt wird die Mut-Tour von der Deutschen Depressions-Liga, der Barmer, der Deutschen Rentenversicherung Bund, der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, dem Bündnis gegen Depression, dem Deutschen Behindertensportverband und dem Fahrradclub ADFC.

www.mut-tour.de