Teil der Lebensgeschichte von Elisabeth Skrzypek (Zweite von rechts) ist ihre Erstkommunion im Jahr 1966 in Düsseldorf. Foto: privat - privat

Historikerin Elisabteh Skrzypek organisiert jeden zweiten Donnerstag im Monat eine Frauengruppe. Hier erzählen die Teilnehmerinnen aus ihrem Leben.

Bad CannstattGeschichte schreiben und die eigene Geschichte weitergeben, das liegt Elisabeth Skrzypek am Herzen. Um dies in die Tat umzusetzen, hat die Historikerin nun eine Frauengruppe ins Leben gerufen, die sich an jedem zweiten Donnerstag im Monat im Gemeindezentrum Liebfrauen trifft. „Wir wollen uns mit Geschichte beschäftigen, mit unserer Lebensgeschichte aber auch der Heimat und dem Wohnort“, sagt sie. Deshalb wird auch darüber gesprochen, was für die einzelne Teilnehmerin der Begriff Heimat bedeutet. Willkommen ist bei den Treffen im katholischen Gemeindezentrum jede Frau, unabhängig von ihrem Glauben.
Die Teilnehmerinnen sollen sich an den Abenden über ihre Vergangenheit austauschen. Zunächst steht die persönliche Geschichte im Vordergrund: Wie war das in der Schule? Der Unterricht in den 1950er-Jahren, als die Klassen groß und Schläge noch üblich waren, war sicherlich ein anderer als in den 1970er-Jahren, als die ersten 1968-Lehrer mit ihren Vorstellungen von antiautoritärer Erziehung an den Schulen unterrichteten. Außerdem soll es um die Freiheiten junger Frauen zu dieser Zeit gehen: Wie lange durften sie ausgehen? Und welches Frauenbild steckte hinter der Erziehung? Welche Ausbildungen wurden absolviert, wie war der Berufseinstieg? Diese persönlichen Lebensgeschichten werden anschließend in Beziehung zur Geschichte gesetzt – zum Beispiel zu einem bestimmten Jahrzehnt. Die 1980er-Jahre waren aus politischer Sicht ein sehr bewegtes Jahrzehnt mit RAF, Friedensdemos und zum Schluss der Wiedervereinigung. Was ist in diesem Jahrzehnt im Leben der Frauen passiert? Wie haben sie an der Geschichte teilgenommen, wie zum Beispiel die Verfolgung und den Prozess gegen die RAF erlebt? Wo waren sie beim Fall der Mauer? Welches Thema beim nächsten Treffen besprochen wird, entscheiden die Frauen am Ende jedes Abends gemeinsam.
Elisabeth Skrzypek, Jahrgang 1957, die das Projekt jeden zweiten Donnerstag im Monat ehrenamtlich betreut, hat Erfahrung mit solchen Gesprächsrunden. Sie hat zum Beispiel die Frauenakademie an der Volkshochschule betreut und in den letzten Jahrzehnten mehrere Erzählcafés veranstaltet. Wissenschaftliche Grundlage ist dabei die sogenannte Oral History, eine Methode der Geisteswissenschaften, bei der das Sprechenlassen von Zeitzeugen wichtig ist. Ziel ist es, auf diese Weise die Lebenswelt und Sichtweisen der Personen kennenzulernen und darzustellen. Und Zeitzeugin ihrer Lebensgeschichte ist jede der künftigen Teilnehmerinnen der Frauengruppe, die dort ihre ganz persönliche Sichtweise auf die große und kleine Geschichte erzählen darf.
Info Die Frauengruppe trifft sich ab Donnerstag, 11. Oktober, an jedem zweiten Donnerstag im Monat immer um 20 Uhr im Gemeindezentrum Liebfrauen, Wildunger Straße 55.